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"Unfun": Faldbakken: Unsägliche Misanthropie

Wenn schon Kettensägenmassaker und Horrorszenen, dann muss dabei mindestens das Verhalten der Geschlechter zueinander studiert und analysiert werden. Zwischen Splattermovie und Computerspiel: Matias Faldbakkens Roman "Unfun".

Wohin die Reise dieses dritten und letzten Teils seiner sogenannten skandinavischen Misanthropie gehen soll, davon vermittelt Matias Faldbakken schon in der ersten Szene von „Unfun“ einen hübschen Eindruck. Und das nicht so sehr, weil in der Wohnung, in der seine Heldin Lucy eine Steinsäge abholen soll, der Tod an alle Wände geschrieben steht und diese von „Deathbox“-Plakaten oder „Born To Die“-Postern geziert werden. Sondern vor allem, weil Lucy in der vermüllten Wohnung unter einer Schachtel mit vertrockneten Nudeln ein Buch findet, das den Titel trägt: „Men, Women and Chain Saws: Gender in the Modern Horror Film.“

Wenn schon Kettensägenmassaker und Horrorszenen, dann muss dabei mindestens das Verhalten der Geschlechter zueinander studiert und analysiert werden – so viel ist der 1973 geborene norwegische Schriftsteller und Künstler Matias Faldbakken sich schuldig, so viel intellektuell gehaltvolle Brocken wirft er zumindest dem Teil seiner Anhängerschaft hin, der in seinen Romanen mehr als nur Pop-Trash, politisch inkorrekten Irrsinn und Klamauk sieht.

In Faldbakkens vor acht Jahren veröffentlichtem „The Cocka Hola Company“ war es eine Gruppe anarchistischer Pornofilmer, die mit aller Macht und Geschmacklosigkeit die skandinavische Konsenskultur attackiert, nur um an Ende von dieser, der „Faszinationsgesellschaft“, selbst umarmt zu werden. In dem Nachfolgeroman „Macht und Rebel“ ließ Faldbakken diverse subkulturelle Milieus lustvoll in Flammen aufgehen. Drogen, Gewalt, Pädophilie, faschistische Rhetorik, Nazischick, Antiglobalisierungsbewegung, No Logo und Everything But The Girl – all das wird hier schön irr verrührt, die chinesischen Arbeitslager in Christian Krachts Roman „1979“ sind dagegen reinste Erholung.

Bei der Lektüre von „Unfun“ allerdings tut man sich schwer mit der Suche nach dem großen Masterplan, auf dem mehr als nur Menschenfeindlichkeit geschrieben steht: Faldbakken hat seine Lucy zwar mit ein paar postfeministischen Insignien ausgestattet und lässt sie etwa tapfer über die Unterlegenheit der Frau dem Mann gegenüber allein der anatomischen Unterschiede wegen räsonieren: „Geschlechtsverkehr, der Reproduktionsakt im ,natürlichen‘ und ,normalen‘ Sinne bedeutet, dass der weibliche Körper eingenommen und besetzt wird und man wiederholt gegen ihn stößt.“ Sie bekommt auch eine Geschichte an der Seite eines gewalttätigen Mannes, mit dem sie missratene Zwillingssöhne hat, und sie läuft am Ende auch noch als „Final Girl“ Sturm und metzelt alle Protagonisten dieses Romans nieder.

Doch Lucy fungiert mehr als Klammer für einen Plot, der eine Mischung aus rührigem Siebziger-Jahre-Splattermovie und enorm wirklichkeitsgetreuem Computerspiel darstellt, der genauso viel von Jack Ketchums „The Girl Next Door“ wie von „Grand Theft Auto“ hat und als Referenzpunkt immer wieder Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ ins Spiel bringt. Lucys Ex-Mann Slaktus arbeitet nämlich an einem Computerspiel, das eine Art „umgedrehtes Heart of Darkness“ sein soll: Ein Afrikaner steht allein und verloren im Herzen der Zivilisation, in Paris, und soll hier, in diesem „mit Gänseleber gefüllten Pissoir“, mit der Steinsäge bewehrt herumlaufen. So weit, so vertrackt, so mies, so nachvollziehbar.

Vor diesem Hintergrund entblättert Faldbakken Szene für Szene, in denen sich seine nicht besonders seelentief ausgeleuchteten Protagonisten wie Zeichentrickfiguren bewegen und oft auch so sprechen (viele Dialoge sind übrigens in der norwegischen wie deutschen Fassung auf Englisch), ganz zu schweigen von den „Wumms“, „Uhuuus“ und „Boooääähs“, die sie ausstoßen. Das könnte ewig so weitergehen, das macht Spaß, so man nicht allzu zart besaitet ist. Denn mit leichter Hand filmische Szenen bauen, das kann Faldbakken gut, das hat aber alles auch nur einen eher wackligen Überbau.

Man ahnt, dass es in „Unfun“ um das Überwinden von der Narration genauso wie dem Leben gehen soll, darum, dass in der virtuellen Wirklichkeit der Tod einen anderen Charakter hat oder praktisch nicht vorkommt – was nicht unbedingt eine der überwältigendsten, frischesten Einsichten ist. Und man weiß auch, dass „Unfun“ sich von Beginn an selbst wie ein Computerspiel lesen lässt, dass die Ebenen zwischen der literarischen Wirklichkeit und dem von Slaktus und seinem Rapeteam entworfenen „Deathbox“-Game bisweilen schön durcheinandergeraten. Insofern ist es nur logisch, dass Lucy am Ende, als sie auch ihre Söhne ersticht, auf deren Frage „Bringst du uns jetzt um, Mama?“ immer wieder nur den Kopf schüttelt. So viel Fun muss sein.

Matias Faldbakken: Unfun. Aus dem Norwegischen von Max Stadler. Blumenbar Verlag, München 2009. 272 S., 19,90 €. Lesung am Freitag, 24. April, 20 Uhr 30, General Public, Schönhauser Allee 167 c

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