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Literatur: Was Potter von Nabokov lernte

Michael Maar zerlegt J.K.Rowlings Universum

Alles über Harry Potter, von der Alraune bis zu den Zombies, von der Spinne Aragog bis zum Quidditch-Kapitän Oliver Wood und vom Gefängnis Azkaban bis zum Wirtshaus „Zum tropfenden Kessel“ hat der Nebenberufs-Potterologe Michael Maar nun in einem Hand-Glossar versammelt. Was zunächst nicht so supespannend klingt: Nur wirkliche Potter-Afficionados wollen wissen, was Grindelohe, Doxys oder Hinkepanks sind und welche Rolle Florean Fortescue oder Colonel Fubster spielen (keine wichtigen!).

Was das kleine Buch dennoch zu mehr als einem Nachschlagwerk macht, ist, dass der begnadete Literaturwissenschaftler Michael Maar sein ganzes Fach-Instrumentarium auf J. K. Rowlings Jugendbücher verwendet. Uns also erklärt, wieso Lolita eine Rolle für Harry Potter spielt (Dolores Umbridge!), was Rowling von Kafka übernommen hat (die Foltermethoden der Strafkolonie) und wie sich im fünften Band Amerikakritik (Patriot Act) über die allfälligen SS-Allegorien schiebt. Ganz zu schweigen von den ganz offensichtlichen Anspielungen an Tolkiens Ring-Parabel, die Maar gleichzeitig zu einer Kritik der Fantasy-Entwicklung und der Auflösung des Mythos von der festgefügten Welt der Gut- und Bösegeborenen nutzt. Der Mensch, so Rowling, hat die Wahl.

Das ist in vielen Fällen natürlich lustvoll spekulativ: Ob die erklärtermaßen leidenschaftliche Leserin Rowling wirklich von Anthony Powell, Somerset Maugham, Joseph von Eichendorff, den Canterbury Tales oder Mark Twain kopiert hat, wird sich gewiss in vielen literaturwissenschaftlichen Abhandlungen nachweisen lassen – wissen wollen wir es nicht wirklich. Und üben mit Michael Maar lieber das freie Assoziieren. Kommen von Dobbys Ohren zu Mr. Spock und Star Trek, über Dumbledores Ansprache „Nidwit! Blubber! Oddment! Tweak!“ zu Dada-Kunstbewegung, von Quidditch zum asketischen Ballspiel Ollamaliitzli, und freuen uns an dem Humor, der Rowling und ihren belesensten Fan verbindet. Höchstes Lob vom scharfsinnigen Exegeten über seine noch scharfsinnigere Autorin ist übrigens: „Wäre sie eine Schachspielerin, könnte sie Kasparow einen Bauern vorgeben.“ Maars Vorbild ist eher der Springer.

Michael Maar: Hilfe für die Hufflepuffs. Kleines Handbuch zu Harry Potter.

Hanser Verlag,

München 2008.

176 Seiten, 12,90 €

Christina Tilmann

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