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Wirtschaft: Die Schlauen wachsen schneller

Aufgeklärter Keynes: Was "international renommierte Ökonomen" der deutschen Wirtschaft raten.

Es konnte ja niemand ahnen, dass Deutschland im Sommer 2007 ein Land im Sonnenschein ist und sich täglich mit Ehrentiteln wie „Exportweltmeister“, „Wachstumslokomotive“ oder „Wirtschaftswunderland“ schmücken darf. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hatte vor zwei Jahren „international renommierte Ökonomen“ um Rat und Hilfe für die Analyse des deutschen Wirtschaftsproblems gebeten. Als die Ökonomen in diesem Sommer fertig waren, hatte sich das Thema leider ein bisschen erledigt. Bei einem Wachstum von um die drei Prozent denkt niemand daran, Grundsätzliches zu ändern, es sei denn, man heißt Oskar Lafontaine. Man kann eben auch unverdient Pech haben.

Verdient hat dieses Pech der Sammelband „Aufschwung für Deutschland. Plädoyer international renommierter Ökonomen für eine bessere Wirtschaftspolitik“ trotz seines prahlerischen Untertitels nämlich nicht. Für 16,80 Euro bekommt der wirtschaftspolitisch einigermaßen interessierte Leser vieles, was für anregende Debatten nicht nur mit Lafontaine sorgen könnte. Nahezu alle Autoren lassen sich zwar einem aufgeklärten Keynesianismus zuordnen. Doch ihren wirtschaftspolitischen Rat würde die deutsche Linke wahrscheinlich mit Abscheu und Empörung zurückweisen.

So beklagt Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Solow das Niveau der ökonomischen Auseinandersetzung in Deutschland, das nach wie vor von dem alten Gegensatz zwischen Neoklassikern (in Deutschland heißen sie Neoliberale) und Keynesianern geprägt sei. Damit bezeichnet man in der ökonomischen Stammtischdebatte die beiden Denkschulen, von denen die eine die wirtschaftspolitische Rolle des Staates darin sehe, Steuern für die Unternehmen zu senken (Neoklassiker), die andere die Aufgabe darin erkenne, die Konjunktur durch staatliche Ausgabenprogramme zu beeinflussen.

In den meisten westlichen Ländern gibt es inzwischen eine offene pragmatische Wirtschaftspolitik, die Elemente beider Denkrichtungen vereinbart. In Deutschland dagegen liefert man sich immer noch – mitunter unterhaltsame – Gefechte aus dem Schützengraben. Solow beklagt das, denn im Ergebnis führten diese nicht nur zu einer unterdurchschnittlichen nationalökonomischen Diskussion, sondern auch zu schlechter Wirtschaftspolitik.

Dabei brauchte das Land, immerhin die größte Volkswirtschaft in der Europäischen Währungsunion, mehr und bessere Politik als andere. Solow und der Genfer Ökonom Charles Wyplosz fragen sich, ob Deutschland von der Währungsunion profitiert habe oder nicht. Beide kommen zu keinem abschließenden Ergebnis, aber dass die Geldpolitik, zumindest bezogen auf Deutschland, in den vergangenen Jahren keine „Komplimente“ (Solow) verdient habe, da stimmen sie schon überein. Die gemeinsame Geldpolitik der Euroländer habe es kaum vermocht, die unterschiedliche konjunkturelle Entwicklung in den einzelnen Ländern angemessen zu würdigen. Heißt im Klartext: Deutschland hätte in den vergangenen Jahren eine expansivere Geldpolitik gutgetan, während Irland oder Spanien schneller höhere Zinsen gebraucht hätten. So hat Deutschland in den ersten Jahren einen guten Teil der Last der Währungsunion getragen – während andere Länder einen überproportionalen Anteil des Nutzens bei sich buchen konnten. Wenn aber die Geldpolitik als Steuerungsinstrument für ein Land ausfällt, müssen die anderen Instrumente umso schärfer wirken.

Tun sie aber nicht. Deutschland hat weniger Möglichkeiten als andere Länder, sich im Abschwung zu verschulden. Das liegt einmal an den Maastricht-Kriterien, aber auch daran, dass das Land selbst in konjunkturell guten Zeiten ein enormes Defizit vor sich herschiebt. Handlungsspielraum und Handlungswille der Politik seien hier nicht besonders ausgeprägt, kritisieren Wendy Carlin und David Soskice. Wer Arbeitsmarktreformen wolle, müsse sie durch makroökonomische Steuerung begleiten, mahnen sie.

Adam Posen vom Institute for International Economics in Washington macht mit einem anderen Mythos Schluss. Die deutsche Exportweltmeisterschaft sei zwar eine hübsche Angelegenheit, sagt er, aber kein Garant dafür, dass Deutschland sich schneller aus einer zyklischen Stagnation befreien kann. Dafür, sagt Posen, kann nicht ein durch jahrelange Lohnzurückhaltung erkaufter Vorsprung auf den Exportmärkten sorgen. Auch eine verbesserte Arbeitsmarktpolitik werde das nicht schaffen. Beitragen aber könnte ordentliche Bildungspolitik. Sie würde die Deutschen insgesamt schlauer und ihre Produkte besser machen, weshalb das Land am Ende schneller und nachhaltiger wachsen könne als heute.

Harvard- und Wissenschaftszentrumsökonom Richard Freeman schließlich rät zu mehr Experimentierfreude. Er findet, dass Deutschland schon geholfen wäre, wenn die Frauen wegen ihrer Kinder nicht zu Hause blieben. Er empfiehlt, Hausarbeit sichtbar zu machen, indem die Mütter stärker gefördert werden, wieder zu arbeiten. Das erlaube, einfache Dienstleistungen zu bezahlen, sie also zu Marktleistungen zu machen, und insgesamt profitierten davon Wirtschaft und das Wachstum.

Eine Antwort aber bleiben die Ökonomen schuldig, und vielleicht ist es ein Segen, dass sie nicht sehen müssen, wie sich die deutsche Wirtschaftspolitik in diesem Sommer im Liegestuhl erholt: Sie sagen nicht, was der Staat in diesem Aufschwung mit all den Steuergeldern machen soll, die auf dem Konto liegen. Bei einer Diskussion, die kürzlich in Berlin über das Buch stattfand, gab es allerdings eine Antwort: auf keinen Fall einfach nur so ausgeben und damit prozyklisch in den Aufschwung hinein hantieren. Sondern konsolidieren, sparen – und einen Teil der Mehreinnahmen in die langfristige Verbesserung der deutschen Hochschulen und Universitäten investieren.

— Ronald Schettkat/Jochem Langkau (Hg.): Aufschwung für Deutschland. Ein Plädoyer international renommierter Ökonomen für eine bessere Wirtschaftpolitik. Dietz, Bonn 2007. 242 Seiten 16,80 Euro.

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