zum Hauptinhalt
Jerry-Cotton-Hefte können auch ein Einstieg in die Literatur sein.

© dpa

Literaturbetrieb: Von Jerry Cotton zu Hemingway

Wie kam man eigentlich zum Lesen? Unser Autor Gerrit Bartels sucht seine eigenen Leseanfänge zwischen Jerry-Cotton-Geschichten und Ernest Hemningway.

Neulich erzählte mir eine Freundin auf einer Party, wie sie zum Lesen gekommen sei, zum Lesen von Literatur selbstredend, was auch bei mir die Erinnerung an meine ersten hochwertigeren Lektüreerlebnisse in Gang brachte. Ihr Vater, ein Professor, habe immer riesige Waschschüsseln voller Bücher mit in den Urlaub genommen, die nahmen hinten im Kombi einiges an Platz weg, und sie und ihre beiden Geschwister mussten sich daraus bedienen. Der Mann wollte natürlich selber seine Ruhe zum Lesen haben. Zu ihrem zwölften Geburtstag bekam sie „Moby Dick“ geschenkt, die deutsche Erstausgabe ihres Vaters, die sie lange nicht anrührte. Strikt untersagt waren ihr im Übrigen die sogenannten Schneiderbücher („Brave Mädchen, wilde Jungs“).

So hart und vor allem so früh ging es bei mir nicht zur Literatursache. Ich glaube, dass ich Schneiderbücher genauso wie „Pu, der Bär“ oder Jack-London-Bücher gelesen habe, die Lustigen Taschenbücher mit den Ducks oder Micky Mouse und seinen Freunden genauso wie Jerry Cotton. Mit den Cotton-Geschichten (New York!, der Camel-rauchende Cotton-Partner Phil Decker! Cotton selber rauchte immer Marlboro) gab es allerdings bald Probleme, weil ich sie mit 16, vielleicht sogar 17 Jahren immer noch las. Mein Vater bat mich eines Tages sehr bestimmt, alle Jerry-Cotton-Hefte – ich glaube, es waren über150 – in einen großen Plastiksack zu packen und in die Garage zu stellen.

Vorbei war es mit den wilden Verfolgungsfahrten durch Manhattan – und auch mit meinen realen Fahrten nach Braunschweig, wo ich mir in einem winzigen, mit neuen und gebrauchten Heftchen von Bastei Lübbe und anderen Verlagen vollgestellten Laden regelmäßig Nachschub verschaffte. Mein Vater besorgte mir daraufhin Bücher über New York von Sabrina Lietzmann („Die wunderbare Katastrophe“) und über Amerika von Klaus Harpprecht („Der fremde Freund“), um meine New-York-Begeisterung in andere, Cotton-fernere Bahnen zu lenken.

Hemingway: Sehnsucht und Inspiration

Vor allem aber schenkte er mir eine Taschenbuch-Cassette mit den Gesammelten Werken von Hemingway, bei Rowohlt erschienen, schmucklos, in einem hässlichen Braun. Ja, und da las ich mich durch, beginnend mit „Sturmfluten des Frühlings“ und „Fiesta“ bis zu „Paris, ein Fest fürs Leben“ und „Tod am Nachmittag“, die Band 9 und 10 bildeten.

Die Lektüre von „Paris, ein Fest fürs Leben“ war sicher am beeindruckendsten und wichtigsten. Hemingways Erinnerungen an seine frühen Pariser Jahre weckten bei mir die Sehnsucht nach einem bohemehaften Leben: lesen, schreiben, in Cafés herumsitzen, trinken! Sie führten aber auch zu anderen Autoren und Autorinnen, deren Bücher mir lohnend schienen. Zu Gertrude Stein und Alice B. Toklas, zu Ford Maddox Ford, Sherwood Anderson, O. Henry, Ring Lardner. Und vor allem: zu F. Scott Fitzgerald. 

Mit dem stand Hemingway in einem unschönen Konkurrenzverhältnis, unternahm mit ihm aber auch eine herrlich chaotische Reise durch Frankreich nach Spanien. Und Fitzgeralds Bücher waren noch einmal eine ganz andere Offenbarung, „Der Große Gatsby“, „Zärtlich ist die Nacht“, auch seine zahlreichen Erzählungen.

So verschaffen die Schriftsteller selbst ihren Kollegen neue Leser und lassen aufmerksame junge Menschen nicht mehr in ihre Heftchenwelt zurückkehren. Vielleicht ungewollt, wie bei Hemingway. Vielleicht gezielt, wie zum Beispiel, willkommen im aktuellen Bücherherbst!, durch Karl Ove Knausgård. In Knausgårds neuem Buch „Träumen“, das am 21. September erscheint, taucht gegen Ende ein Tomas auf, mit dem Knausgård in Bergen öfters Kontakt hat. Dabei handelt es sich um Tomas Espedahl, einen norwegischen Autor, dessen Bücher hierzulande bei Matthes & Seitz erscheinen, im August ein neues, „Wider die Kunst“.

Also Knausgård-Fans, Espedahl lesen! Und für Fitzgerald-Melancholiker gibt es tatsächlich auch was Neues: „Die Straße der Pfirsiche“, im Oktober beim Aufbau Verlag, 1924 erschienen, bislang nicht ins Deutsche übersetzt. Fitzgerald erzählt darin von einer Autofahrt mit seiner Frau Zelda in deren Heimat Alabama.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false