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Literaturnobelpreis: „Er hat Mao Zedong abgeschrieben“

Der Preisträger sagt, die Auszeichnung sei nicht so wichtig. Andere freuen sich, wieder andere kritisieren Mo Yan scharf: Über die Reaktionen in China auf den Literaturnobelpreis.

Mo Yan hatte sich rar gemacht in den letzten Wochen, als sich die Medienanfragen wegen seiner Favoritenrolle beim Literaturnobelpreis häuften. „Sobald ich darüber sprechen würde, würde ich attackiert werden“, wurde er zitiert, „so wie viele die chinesischen Autoren wegen ihres Verlangens nach dem Nobelpreis kritisiert haben.“ Nach der gestrigen Bekanntgabe zeigte der 57-Jährige sich nun glücklich und erschrocken. Er habe sich sehr gefreut, „doch ich glaube nicht, dass der Preis etwas bedeutet. China hat viele großartige Schriftsteller, die auch dazu befähig sind, von der Welt anerkannt zu werden. “

Nach offizieller Rechnung ist er der erste Nobelpreisträger Chinas. Gao Xingjian, der im Jahr 2000 mit dem Literaturnobelpreis geehrt wurde, war zu dem Zeitpunkt bereits französischer Staatsbürger und lebte in Paris. Und Liu Xiaobo, der Friedensnobelpreisträger von 2010, sitzt als Dissident in Haft, seine Auszeichnung empfand das Regime als Demütigung.

Mo Yan ist im eigenen Land durchaus umstritten. Der Autor und Blogger Han Han nennt die Auszeichnung eine „Ehre für Chinas Schriftsteller“. „Junge Leute interessieren sich nicht für seine Bücher“, erklärt hingegen die 24-jährige chinesische Mitarbeiterin der Webseite „sina“ dem Tagesspiegel. Er beschreibe das Landleben in seinem Heimatdorf, die Tiere, die Bauern. „Das ist weit weg vom urbanen Stadtleben“, sagt die Chinesin, die nicht namentlich genannt werden möchte, „das ist vorbei“. China hat in den letzten Jahren eine rasante Urbanisierung erlebt, erstmals leben mehr Menschen in den Städten als auf dem Land. Bis 2030 sollen über 80 Prozent der Bevölkerung urbanisiert sein.

Während Mo Yan von den staatlichen Medien gefeiert wird, wird im Internet über seine Rolle als Vorzeige-Schriftsteller der Kommunistischen Partei gestritten. Ihm wird vorgeworfen, einer von 100 Autoren und Künstlern gewesen zu sein, die in einem Jubiläumsbuch Mao Zedongs berüchtigte Yan’an-Gespräche über Kunst und Literatur von 1942 von Hand abgeschrieben hatten. In den Gesprächen formulierte der Große Vorsitzende die Grundlage für die bis Ende der 70er Jahre geltende Prämisse, Künstler und Literatur hätten sich der kommunistischen Gesellschaft zu unterwerfen und nur deren positive Seiten zu beschreiben. „In dem Moment, in dem Mo Yan Maos Yan’an-Gespräche mit der Hand abgeschrieben hat, ist der Schriftsteller in ihm gestorben“, bloggte der Internetnutzer Bao Qing Lao bereits vor der Vergabe des Nobelpreises. Der Autor und Bürgerrechtler Yu Lie schreibt auf der Website des Pen-Clubs: „Ich denke, der Nobelpreis sollte an niemanden verliehen werden, der Mao lobt, egal wie populär sein Werk ist.“

Andere nehmen ihm übel, dass er bei der Frankfurter Buchmesse 2009 nicht in einem Raum mit den chinakritischen Autoren Dai Qing und Bei Ling sitzen wollte. Dazu heißt es im Netz: „Die Jury muss blind sein, wenn sie sich bei der Wahl zwischen Mo Yan und Haruki Murakami für Mo Yan entscheidet.“ Der japanische Schiftsteller zählte ebenfalls zu den Favoriten. Der deutsche Sinologe Tilman Spengler hingegen äußerte sich diplomatisch: „Mo Yan habe Neugier auf alles, was mit Literatur zusammenhängt und Bauernschläue, was den Parteiapparat betrifft“. Und Außenminister Guido Westerwelle freut sich über den „abermaligen Beleg für China als große Kulturnation“.

„Politisch gesehen, singt er das Lied eines undemokratischen Regimes“, meint hingegen der chinesische Menschenrechtsanwalt Teng Biao. Als Liu Xiaobo 2010 den Friedensnobelpreis erhielt, hatte sich die offizielle Chinesische Schriftstellervereinigung eines Kommentars enthalten. Ihr Vizevorsitzender: der wortgewaltige Mo Yan.

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