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Bedroht und unersetzbar. Die Bäume sind das Rückgrat der Natur.

© Armer/dpa

Literaturtipps für die Sommerferien (1): Träumen von Bäumen

Ein Urlaub ohne Lektüre wäre keiner. Doch welche Titel kommen ins Gepäck und warum? Neue Reisebekanntschaften - und gute Bekannte.

Es ist ein Wunder, dass es sie noch gibt. Die Bahnhofsbuchhandlung gehört zur Welt von gestern wie Bahnhofsbuffet, Bahnsteigkarte, Bahnhofskino. Man muss schon eine Weile unterwegs sein, um diese zivilisatorischen Errungenschaften noch kennengelernt zu haben. Andererseits, die Nachtzüge kommen ja wieder. Bei der Österreichischen Bundesbahn heißen sie Nightjet, und sie sollen umweltverträglicher sein als Flugzeuge. Das Netz umspannt Amsterdam, Paris, Mailand, Rom, Venedig, Budapest, Wien, Berlin und andere Städte, in denen man dann vielleicht eine Bahnhofsbuchhandlung besuchen könnte, in der Hoffnung auf einen Fund, eine Begegnung.

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Wenn man es nicht macht wie der Kollege, der partout nur mit Proust verreist, nie ohne seinen Marcel, stets auf Recherche, dann steht am Beginn einer Reise schon immer die Frage, welche Lektüre eingepackt wird. Also Bücher, die man aus professionellen Gründen lesen muss oder endlich einmal lesen will. Bücher, die in einem Zusammenhang mit der Reise stehen.

Oder Bücher, die sich plötzlich aus dem Stapel der Ungelesenen nach oben schieben und gebieten: Nimm mich mit! Die Entscheidung über das, was schließlich zum Lesen in der Reisetasche landet, ist schwierig und oft auch nicht logisch nachvollziehbar

Dafür gibt es - last call! - die Bahnhofsbuchhandlung und, etwas neueren Datums, die Buchhandlung im Airport. Dort werden Fehlgriffe korrigiert, Versäumnisse nachgeholt, der Buchvorrat ergänzt. Im Bahnhof und Flughafen befindet man sich bereits auf einer anderen Zeitebene, noch nicht verreist, aber auch nicht mehr zuhause.

Deshalb haben Bücher, die man jetzt dort noch mitnimmt, ein anderes Gewicht. Olga Tokarczuks „Unrast“ ist so ein Fall, an den ich mich erinnere, oder die „Stimmen“ von Wolfgang Herrndorf: auf den letzten Metern vor der Abfahrt gekauft und auf der Reise gelesen, garantiert. Andere Bände blieben im Koffer und hatten das Nachsehen.

In der Bahnhofsbuchhandlung findet sich sogar ein Buch von Plinius

Auch in der Bahnhofsbuchhandlung fällt die Wahl nicht leicht, das zeigt die Erfahrung. Doch da sehe ich ein Bändchen, handlich wie ein Notizbuch, passend für die Jackentasche. Schön das Cover mit Wald und Wiese, das strahlt einladende Kühle aus. Plinius der Ältere, „Über Bäume“, eine Neuerscheinung im Reclam Verlag. Naja, neu: Der Autor lebte im ersten Jahrhundert n. Chr. und wurde berühmt durch seiner Enzyklopädie „Naturalis historia“ und seinen Tod beim Ausbruch des Vesuvs. Hier gibt es Ausschnitte aus dem Riesenwerk, ein kleines Arboretum, lateinisch und deutsch.

Über Baumriesen im Norden liest man: „Sie bedecken das gesamte übrige Germanien und fügen der Kälte noch Schatten hinzu ... Eichenwälder, seit Jahrhunderten unberührt und so alt wie die Welt.“ Bäume spenden Leben und Atmosphäre, sie speichern Wasser und Mythen, sie stehen fest auf der Erde, wenn man sie nicht abholzt und der Regen nicht ausbleibt.

„Der Lorbeer“, heißt es bei dem römischen Gelehrten, „ist ein Friedensbringer, so dass ihn vor sich zu schwenken selbst zwischen bewaffneten Feinden ein Zeichen der Waffenruhe ist.“ Dies kleine Buch, das spüre ich gleich, wird in diesem Sommer ein großzügiger Reisebegleiter sein - zusammen mit anderen.

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