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Kultur: Lob der Kopie

Ein ORIGINAL von Christina Tilmann

Im neuen Architekturmuseum, das gerade im Pariser Palais Chaillot eröffnet hat, ist der Saal mit den Gipsnachgüssen französischer Skulpturen eine der Hauptattraktionen. Alles Kopien. In Athen hingegen wünscht man sich für das neue Akropolis-Museum die Elgin-Marbles zurück, jene originalen Teile des Parthenon-Frieses, die heute im Londoner British Museum zu sehen sind, während in Athen Kopien verblieben sind. Und in Berlin diskutiert man immer noch über den Wert und die Möglichkeiten einer rekonstruierten Schlossfassade, während sich Architekt David Chipperfield bei der Wiederherstellung des Neuen Museums aus ebenso guten Gründen weigert, kriegszerstörte Bauteile zu rekonstruieren.

Was in der Architektur und ihrem Bildschmuck diskutabel, ja üblich ist – man denke etwa an die abgasgeschädigten Steinfassaden des Kölner Doms, die von der Dombauhütte regelmäßig erneuert werden –, bleibt in der Malerei ein Tabu. Gerade regt sich der Bundesverband deutscher Galerien über zwei aktuelle Ausstellungen auf: Im Picasso-Museum in Münster werden in der Ausstellung „Wahre Lügen“ höchst erhellend und unkommentiert Original und Fälschung gegenübergestellt. Und das Museum für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr in Kiel zeigt – und verkauft – Edgar Mrugallas Fälschungen von Breughel, Rembrandt, Goya bis zu Klimt, Macke und van Gogh. Fälschungen seien prinzipiell nicht dialogfähig, so der Galeristenverband in einem offenen Brief, in dem er, schon in eigenem Interesse, eine Schädigung des Kunstmarkts fürchtet und die Schließung der Ausstellung fordert.

Dass Fälschungen für den Kunsthandel eine elementare Bedrohung bedeuten – geschenkt. Kopien und Schülerarbeiten hingegen waren jahrhundertelang ein gängiges Mittel der Vervielfältigung wie auch der Auseinandersetzung mit der Kunst überhaupt und beschäftigen heute ganze Kunsthistorikergenerationen – man denke nur an die Zu- und Abschreibungen im Rembrandt-Œuvre oder die verwickelte Lage bei Caravaggio, wo von einem Bildmotiv bis zu vier verschiedene Versionen existieren. Erst der heutige Originalitätsbegriff hat die Enttäuschung über vermeintlich Unechtes, sei es Kopie oder Fälschung, begründet. Der niederländische Maler Han van Meegeren, der die Kunstwelt Anfang des 20. Jahrhunderts mit gefälschten Vermeers narrte, war übrigens eine tragische Figur. Er handelte aus Ehrfurcht vor dem Original.

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