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Filmszene aus dem Wettbewerbsfilm "Logan" mit Patrick Steward und Hugh Jackman.

© Twentieth Century Fox

"Logan" auf der Berlinale: Eden liegt in Kanada

Hugh Jackman schwingt in James Mangolds Marvel-Epos „Logan“ noch einmal die Klingenfäuste. Der Film läuft außer Konkurrenz.

Von Andreas Busche

Eigentlich sollte sich jedes Filmfestival zum Abschluss einen Superhelden leisten. Die Kräfte schwinden, die Konzentration lässt nach – man verspürt auf den letzten Metern noch einmal das dringende Bedürfnis, höhere Kräfte in Anspruch zu nehmen. Der Superheld in James Mangolds „Logan“ hat seine besten Jahre allerdings längst hinter sich. Logan, wie immer gespielt von Hugh Jackman, ist ein Wrack: Die Wunden heilen nicht mehr wie früher, sein geschwächter Körper ist abhängig von Schmerzmitteln. In gewisser Weise stellt James Mangolds letzter Teil der Wolverine-Trilogie, die als eher unglückliches Spin-Off immer im Schatten der komplexeren X-Men-Erzählung stand, einen passablen Abschlussfilm des Festivals dar, die nach einem gelungenen Start ebenfalls unter einem vorzeitigen Kräfteverschleiß zu leiden schien.

Dass der einzige Hollywood-Film im Wettbewerb (außer Konkurrenz) ausgerechnet das Ende eines Zyklus’ darstellt, sagt insofern auch einiges über den Stellenwert der Berlinale in der US-Filmindustrie. „The Man Comes Around“ des späten Johnny Cash, der mit der verwitterten Grabesstimme, liefert im Abspann den Moritatengesang auf den Wolfsmann mit den Freddy-Krüger-Klauen. Wolverine ist wegen seiner Fähigkeiten zur Selbstheilung ja so etwas wie die tragische Figur im X-Men-Universum. Kein Schmerz ist zu groß für den Leidensträger der internationalen Mutantenjugend.

Wolverine war nie die ausgefeilteste Version im X-Men-Universum

Mutanten gibt es in „Logan“ offiziell nicht mehr. Mangolds Film spielt im Jahr 2029, Wolverine ist einer der letzten seiner Art. Unter seinem bürgerlichen Namen James Howlett arbeitet er als Limo-Chauffeur für Geschäftsleute und neureiche Collegekids, nebenher pflegt er seinen dementen Mentor Charles Xavier (Patrick Stewart), dessen Gehirn vom Ministerium für Heimatschutz zur Massenvernichtungswaffe erklärt wurde. Darum versteckt Logan den Professor in einem Stahlcontainer in der Wüste von Mexiko, mit Unterstützung des Albino-Mutanten Caliban (Stephen Merchant).

Doch Xavier ist nervös, er empfängt Signale eines überlebenden Mutanten. Gleichzeitig kontaktiert eine mexikanische Krankenschwester Logan, der ein kleines Mädchen (Newcomerin Dafne Keen) mit außergewöhnlichen Begabungen heimlich in Richtung kanadische Grenze chauffieren soll. Doch Logan ist müde. Er hat mit den Kämpfen der Vergangenheit lange abgeschlossen. Als ihn auch noch ein Söldner eines Gentech- Konzerns aufsucht, der ebenfalls die Spur des Mädchens aufgenommen hat, bleibt ihm keine andere Wahl, als ein letztes Mal die Zukunft der Mutanten zu verteidigen. Während eines ersten Showdowns in der Wüste mit einer Truppe schwerbewaffneter Soldaten muss Logan feststellen, dass er und das Mädchen Laura mehr gemeinsam haben, als ihm lieb ist.

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Wolverine war im X-Men-Universum noch nie die tiefenpsychologisch ausgefeilteste Figur. Seine animalischen Qualitäten funktionierten am besten im Zusammenspiel mit dem Mutanten-Ensemble zwischen teenage angst und Coming Out. Auch deswegen wirkten die inneren Konflikte Logans immer etwas unterkomplex, sein emotionales Repertoire reichte gerade bis zum nächsten Wutanfall.

Der Titel „Logan“ soll vermutlich eine gewisse Reifung des Superhelden suggerieren, obwohl die klassischen Ein-Namen-Filmtitel eigentlich auf etwas ganz anderes schließen lassen. In den siebziger Jahren waren die Filme von Burt Reynolds, in denen er Alkoholschmuggler in den Südstaaten und Trucker spielte, nach ihren Protagonisten benannt, in den Achtzigern die Machwerke von Chuck Norris.

"Logan" ist eine post-apokalyptische Version von Amerikas Gegenwart

Damit befindet sich „Logan“ allerdings in guter Gesellschaft, denn der Weg, den Logan und Laura in Richtung Kanada zurücklegen, führt quer durch das amerikanische heartland. Rednecks und Rassisten säumen ihren Weg. „Logan“ schildert eine post-apokalyptische Version von Amerikas Gegenwart: die Grenze zu Mexiko ist dicht, auf der anderen Seite der Mauer experimentieren amerikanische Konzerne (eine geheime Super-Nafta) mit genmanipulierter Mutanten-DNA. Und die Grenze zu Kanada wird zum Fluchtpunkt der guten Amerikaner. Im Film heißt dieser Ort tatsächlich Eden. Dass Laura die Adresse aus einem zerfledderten X-Men-Comic hat, ist der Ironie genug. Comichefte haben im neuen Amerika Geschichtsbücher abgelöst.

Wie schon die Vorgänger ist auch „Logan“ ein Genre-Hybrid. Nach dem Samuraifilm gibt diesmal das Roadmovie die Erzählform vor. Im Roadmovie steckt traditionell ein ernster Kern, kein anderes Genre – außer dem Western vielleicht – ist stärker auf der Suche nach einer nationalen Identität. In „Logan“ dient das Genre eher als leeres Gefäß, mit dem Mangold außer einigen überspitzten sozialen Beobachtungen nicht viel anzufangen weiß. Es überwiegt, auch in den brutalen Kampfszenen, eine frustrierte Wut. Dieses Zeichen aus dem Herzen der amerikanischen Filmindustrie ist ein ernüchternder, wenig versöhnlicher Schlusspunkt der Berlinale. Hollywood sieht blutrot.

Sa 18.2., 15 Uhr (Friedrichstadtpalast), 21.30 Uhr (Friedrichstadtpalast), 19.2., 21.30 Uhr (Berlinale Palast)

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