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Szene aus "Two A.M." von Loretta Fahrenholz.

© Loretta Fahrenholz / Galerie Buchholz

Loretta Fahrenholz in der Galerie Buchholz: Dunkelzeit

Die Videokünstlerin Loretta Fahrenholz beschäftigt sich mit der Psychiatrie als einem Ort, an dem die Kontrolle über das eigene Leben abgegeben wird.

Mit den Mechanismen von Machtzuwachs auf der einen und Kontrollverlust auf der anderen Seite beschäftigt sich Loretta Fahrenholz. Die Videokünstlerin, die 1981 in Starnberg geboren wurde und an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig studiert hat, war zuletzt in Kassel und Amsterdam zu sehen. Nun stellt sie neueste Arbeiten in der Berliner Galerie Buchholz (Fasanenstraße 30, bis 25. Februar) aus.

Gezeigt werden Bilder, die in einer Psychiatrie entstanden sind, eine Installation zu einem Busfahrspiel und der 40-minütige Fantasyfilm Two A.M., der im Zentrum der Ausstellung steht und auf Irmgard Keuns Roman Nach Mitternacht basiert. Die Autorin, deren Bücher in der Weimarer Republik erfolgreich waren und später von den Nationalsozialisten verboten wurden, beschreibt darin zwei Tage im Leben einer jungen Frau namens Sanna in Nazideutschland, in dem für kritische Stimmen kein Platz mehr ist.

Mischung aus "Kill Bill" und Handyvideo

Auf dieser Vorlage hat Fahrenholz eine Berlin-Dystopie entworfen, die von Sanna und ihren Freunden erzählt. Allesamt Zugezogene und Großstadthipster, die von gedankenlesenden Bösewichten in exzessive Verdrängungspartys getrieben werden, bei denen E-Joints die Runde machen und kiloweise Kokain konsumiert wird. Der experimentelle Film ist eine wilde Mischung aus Quentin Tarantinos „Kill Bill“, Kevin Costners „Waterworld“ und einem verwackelten Handyvideo. Das macht ihn interessant und ruft viele Assoziationen hervor. Trotzdem bleibt er seltsam blutarm. Denn das abgebildete Milieu voll von Metropolenschick und ausgestellter Tristesse ist langweilig und homogen. Die Normalos, die Übergewichtigen und die Hässlichen fehlen. Sind die in Loretta Fahrenholz’ durchästhetisierter Welt etwa alle schon ausradiert? Jedenfalls nimmt man diesen hyperschönen Menschen ihren Existenzkampf nicht ganz ab. Stattdessen hat man eher das Gefühl, dass sie das bisschen Horror nur deshalb spielen, weil ihnen Koks und Co. längst zur Nase raushängen.

Gamer sind oft ruhiggestellt

Eindrucksvoller sind die großformatigen Arbeiten kbo-Isar-Amper-Klinikum. Weil die Künstlerin in einer psychiatrischen Klinik nicht fotografieren durfte, tastete sie die Innenräume mit einem 3-D-Scanner ab. Daraus sind dreidimensionale Wechselbilder entstanden, in denen Patientenschatten auftauchen und wieder verschwinden. Ein Effekt, der auf den Inhalt verweist – auf die Psychiatrie als einen Ort, an dem die Kontrolle über das eigene Leben abgegeben wird.

Auch Gamer sind oft ziemlich ruhiggestellt. Daran erinnern die sechs Tablets mit dem Titel Slit-scan X10 1-6. Die kleinen Bildschirme wurden von Loretta Fahrenholz und ihrem Künstlerkollegen Hans-Christian Lotz mit einer Fahrstrecke bestückt. Die Installation ist an eine erfolgreiche Busfahrspiel-App angelehnt. In der App schlüpft der Spieler in die Rolle eines Busfahrers und wird vom Sofa aus Herr über 300 PS. Schließlich will jeder im Leben mal die Kontrolle haben. Auch wenn sie bloß simuliert ist.

Anna Fastabend

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