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Kultur: Lost in Tokio

Comicstrip: M.X. Obergs „Stratosphere Girl“

Triste Aussichten, aus dem Dachfenster von Angelas Mädchenzimmer. Unten im Garten deckt die Mutter den Kaffeetisch, nach dem Abitur wartet die Ausbildung im Steuerbüro des Onkels, und der smarte japanische DJ auf der Abi-Abschlussfete nimmt kaum von ihr Notiz. Doch Angela hat ein Fluchtvehikel: ein weicher Bleistift, der knirschend übers Papier fährt. Was entsteht, ist eine Comic-Gegenwirklichkeit. Die Tristesse des Reihenhauses verwandelt sich in eine blinkende, gleißende Großstadt: Tokio.

Die Bleistift-Flucht führt Angela in den „Golden Gate Club“, wo junge Europäerinnen als Hostessen arbeiten. Irgendwann verschwindet ein Mädchen, taucht ein zwielichtiger Geschäftsmann auf und schließlich ein strahlender Retter. Regisseur M.X. Oberg hat für seinen Film die Technik des Comic-Strips übernommen, mit scharfen Momentaufnahmen, überraschenden Wendungen, klaren Charakteren. Und er hat die Story bewusst bis zum Schluss im Unklaren gelassen, hat geschickt zwischen Fiktion und Wirklichkeit hin- und hergewechselt. Was vor allem deshalb so perfekt gelingt, weil Chloé Winkel, die Darstellerin der Angela, mit ihrem schmalen, aparten, beängstigend leeren Gesicht selbst wie eine Comicfigur agiert, wenn sie schlafwandlerisch durch Tokio streift. Mit ihr unterhält die Kamera ganz offensichtlich eine Liebesbeziehung. Darüber kann man die virtuos verrätselte Geschichte auch getrost vergessen (in Berlin in den Kinos Babylon, Filmtheater am Friedrichshain und Central).

Christina Tilmann

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