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Die Frühjahrsvorschau des Haffmans& Tolkemitt Verlags aus dem Jahr 2011

© Verlag

Lottmann und Haffmans& Tolkemitt: Glaube, Hoffnung, wahre Kerne

Weil der Haffmans & Tolkemitt Verlag Insolvenz angemeldet hat, kann das Frühjahrsprogramm des Berliner Verlags nicht erscheinen. Für die Autoren ist das ein großes Problem.

Jetzt ist sie wieder in Schwung, die Joachim-Lottmann-Werbemaschine. Vor ein paar Tagen hat der geborene Hamburger und Wiener, seit vergangenen Montag auch mal wieder für ein halbes Jahr in Berlin beheimatete Schriftsteller (und ausgewiesene Lügenbaron) in seinem Blog ein Interview mit sich selbst geführt. Der Anlass: sein „mysteriöses Alterswerk“ mit dem Titel „Hotel Sylvia“, eine Novelle, deren Veröffentlichung für diesen Monat angekündigt war.

„Am 17. Februar soll ,das Stückchen Weltliteratur‘ in den Buchmarkt einschlagen“, sagt Lottmann zu sich, um zu konstatieren: „Den Termin haben Sie allerdings infrage gestellt oder sogar dementiert. Was ist da los?“. Und Lottmann antwortet Lottmann: „Ich möchte eigentlich gar nicht mehr viel zu dem Thema sagen. Gegenüber Marco Verhülsdonk habe ich sinngemäß geäußert, dass ich nicht mehr an ,Hotel Sylvia‘ glaube.“ Auch ist in dem Selbstgespräch die Rede von Fahnen, die im Umlauf seien, also Vorabexemplare in Form loser Blattsammlungen für Buchhandlungen und Redaktionen, was Lottmann jedoch für „ausgeschlossen“ hält.

Der Schriftstelller Joachim Lottmann, 2014
Der Schriftstelller Joachim Lottmann, 2014

© Karlheinz Schindler/ dpa

Es ist ein großer Spaß, dieses Fake- Selbstvermarktungsinterview zu lesen, und doch steckt einiger Ernst in dem Ganzen. Man könnte auch sagen, wenn es im Zusammenhang mit Lottmann nicht so komisch klingen würde, „ein wahrer Kern“. Denn tatsächlich wurde Anfang des Jahres bekannt, dass Joachim Lottmanns Verlag, der Berliner Verlag Haffmans & Tolkemitt Insolvenz angemeldet habe, genauso wie der mit ihm eng assoziierte Verlag Rogner & Bernhard. Wer bei Haffmans & Tolkemitt Fahnen von „Hotel Sylvia“ bestellt, bekommt keine Antwort oder die Nachricht, dass unabsehbar sei, wann das Buch genau erscheine, genauso wie das gesamte Frühjahrsprogramm der zwei Verlage. Dieses Programm, also die fast fertigen Bücher, gehört zur Insolvenzmasse und ist das beste Argument für potenzielle Investoren, für andere Verlage, bei den insolventen Verlagen einzusteigen und sie damit zu retten. Interessenten soll es geben, man befinde sich, wie man hört, in guten Gesprächen.

Joachim Lottmann ist endlich Erfolgsautor - und dann erscheint sein neuestes Buch nicht!

Im positiven Fall erscheinen die Frühjahrstitel mit ein paar Wochen Verzögerung, was die Autoren verschmerzen dürften. Aber wenn niemand einsteigt? Eine verzwickte Situation, zumal Haffmanns & Tolkemitt und Rogner & Bernhard nicht der Suhrkamp Verlag sind. Als dieser insolvent war, wie auch immer da die Umstände waren (Hans Barlach zweifelte ja an der Rechtmäßigkeit dieser Insolvenz), übernahm das Kunstsammler-Ehepaar Ströher die Autorengehälter und sicherte den laufenden Betrieb.

Und da heißt es jetzt für die Autoren von Haffmans & Tolkemitt und Co, gerade für die deutschen, sich zu überlegen: aussteigen und die Rechte am eigenen Buch zurückerwerben? Was ein kompliziertes Unterfangen ist. Oder das Beste hoffen? Und falls das Beste nicht eintritt, mindestens ein halbes Jahr verlieren, um einen neuen Verlag zu finden. Problematisch ist es gleichfalls für Autoren mit älteren Büchern, etwa in Lottmanns Fall sein als Hardcover erschienener Roman „Happy End“; mit Büchern also, für die womöglich Taschenbuchausgabenlizenzen verkauft worden sind oder verkauft werden sollen. Auch hier steckt Geld drin, das momentan zur Insolvenzmasse gehört.

Insofern mag Lottmann seine Späßchen treiben. Doch leicht dürfte selbst die Situation für ihn nicht sein, der ein Stehaufschriftsteller ganz besonderer Güte ist. Obwohl nicht bekannt ist, dass er versucht, seine Novelle anderswo unterzubringen, womöglich als Paperback bei seinem Ex-Verlag Kiepenheuer & Witsch. Das wäre für Lottmann, der mit „Hotel Sylvia“ bekanntlich sein Alterswerk beginnen wollte, ein herber Rückschlag. Endlich Erfolgsautor (mit „Endlich Kokain“ als Taschenbuch bei KiWi und der „Happy-End“-Hardcoverausgabe bei Haffmans) – und dann so was! Insofern deutet er in seinem Selbstgespräch immer wieder an, lieber über ein neues Buch sprechen zu wollen, eins mit dem Arbeitstitel „Der zweite Faschismus“. Was das wohl für ein Roman sein soll? Ein Politroman? Von Lottmann? Die Botschaft aber, die Lottmann sendet, ist eindeutig: Insolvenz hin oder her, er macht weiter, immer weiter und weiter.

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