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Kultur: Luftgestalten

Galerie CFA: Zeichnungen von Walter Pichler.

Wie wenig große Kunst braucht, lässt sich bei Walter Pichler immer wieder sehen. Ihm genügen für die in der Galerie Contemporary Fine Arts (CFA) ausgestellten Zeichnungen und Aquarelle lediglich Bleistift, wenige Farben, Wasser und ein schmales Set an Figuren und Formen. In fast allen Bildern (Preise: 9000-40 000 Euro) des im vergangenen Jahr verstorbenen österreichischen Architekten und Bildhauers taucht ein kahler Kopf mit spitzer Nase auf. Eher angedeutet denn ausgeführt entsteht immer wieder in schnell hingeworfenen Zeichnungen oder Tuschestrichen dieser Mensch in archaisch-existenziellen Situationen. Und fast immer ist er liegend zu sehen.

Die Blätter im separaten Galerieraum stammen überwiegend aus den 1970er Jahren. Sie zeigen den Liegenden als beweinten Leichnam oder als Gestalt, über der eine weitere schemenhafte Figur schwebt. Trotz der thematischen Düsternis geht von den Blättern eine große Ruhe aus, ihr krasser Reduktionismus dient einer tief gegründeten Statik des So-Seins, die auf einigen Blättern auch Anspielungen auf Kreuz, Stigmata und Dornenkranz zulässt. Kaum zu übertreffen ist die Gewalt der Farbgebung eines Blattes von 1976, das aus diffuser Dunkelheit zwei Arme mit einer Hacke die Erde bearbeitend vor einem durch die Tintestrukturen evozierten Himmel zeigt. In der Ausstellung verstärkt ein aus alten Matratzen und einer Metallstele gefügtes Objekt die Wirkung der Blätter; es ist eine von drei hier gezeigten unverkäuflichen Bildhauerarbeiten, deren vollständige Sammlung in Pichlers Bauernhof in St. Martin im Burgenland ihr festes Domizil hat.

Jenseits dieser über die Jahrzehnte immer wieder aufgegriffenen Thematik ziehen farblich nuanciertere Blätter in den Bann: „Laufender Arbeiter“, „Mann im Holzstoß“ oder das auffallende Großformat „Der ewig Beleidigte grün und blau im Gesicht“. Rätselhaft das Blatt von 1983 mit einem renaissancehaften Kopf, dem aus einem Gebäudegrundriss Tropfen in Augen und Mund fallen.„Da schaut einer mit meinen Augen in die Welt“ heißt ein Hochformat von 1996 mit einem Kopf im Profil: Wenige Striche, die kurze Zunge schaut zwischen den Lippen heraus. Ein Detail, das Renaissanceskizzen von Memoria und Gehirnfunktionen verpflichtet scheint. Wo die Zunge herausschaut, sind im Kopf der Figur die Lenden erkennbar – Wahrnehmen, Denken und Sexualität haben ihren Sitz unter der Schädeldecke. Markus Bauer

Contemporary Fine Arts, Am Kupfergraben 10; bis 2. 11., Di–Sa 10–18 Uhr

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