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Luise Pop: Die Undercover-Agentinnen

Feministische Mission: Die Garagenrock-Band Luise Pop aus Wien und Berlin tourt mit ihrem zweiten Album. Ein konspiratives Treffen.

Surfige Gitarren, die Lust auf eine Reise in die Ferne machen. Ein rumpeliges Schlagzeug. Dazu gepfefferte Texte mit schnodderiger Riot-Grrrl-Attitüde gesungen – Luise Pops Musik wäre der perfekte Soundtrack für Quentin Tranatinos Action-Kracher „Death Proof“, in dem drei Frauen sich ein Hochgeschwindigkeitsduell mit einem brutalen Stuntman liefern.

Bei Luise Pop spielen auch drei Frauen mit, die allerdings etwas weniger gefährlich sind. Am Schlagzeug sitzt ein Mann. Für die Texte ist Sängerin und Gitarristin Vera Kropf zuständig. Wäre sie in Berlin, hätten wir uns an einem sonnigen Plätzchen am Landwehrkanal in Kreuzberg getroffen anstatt im Facebook-Chat. Denn gerade hält sie sich zusammen mit dem Rest der Band in Österreich auf. Sie spielt die ersten Konzerte zum neuen, zweiten Luise-Pop-Album „Time Is A Habit“.

Der Tourbeginn passt zur politischen Einstellung der Band: Es ist der Internationale Frauentag, an dem sich das Quartett auf den Weg gemacht hat. Man kann von Luise Pop nicht schreiben, ohne das F-Wort zu erwähnen. Mit ihrem Debütalbum „The Car The Ship The Train“ haben Luise Pop vor zwei Jahren eine Kampfansage veröffentlicht. „Feminist Terrorists“ ist ein lautes, schräges Stück über konspirative Treffen in der Nacht: „Sie sind vielleicht nicht hübsch, sie sind vielleicht nicht smart, aber sie haben Waffen und das ist ein Anfang.“

Das neue Album kommt etwas weniger kämpferisch daher, obwohl Vera Kropf noch immer ganz klar sagt, dass feministisches Denken für sie das Natürlichste der Welt sei, solange sich die Dinge nur so langsam und zäh verändern. „Viele haben gefragt, was aus den Feminist Terrorists geworden ist“, erzählt die 31-jährige Wienerin, die in Schöneberg wohnt. „Sie sind verdeckte Agentinnen, die im Geheimen operieren, unauffällig in irgendwelchen Büros sitzen und etwas aushecken. Ich stelle mir so eine Superheldin vor, eine Art weiblichen Clark Kent, allzeit bereit. Ich sehe Feminismus als eine Mission, die es auch mit der Band weiterzutragen gilt, im Sinne eines Infiltrierens.“

Infiltrieren, also sich heimlich in fremdes, vom Gegner kontrolliertes Gebiet einschleichen. Ein erster Schritt dahin war es schon, überhaupt eine Frauenband zu gründen. Als sich Luise Pop 2004 zusammentaten, waren sie zu dritt: Vera Kropf, Ina Freudenschuß und Lisa Berger. „Die Männerdominanz in der Rockmusikwelt hat mich immer schon genervt. Ich wollte nicht Sängerin in einer Jungsband werden, sondern von tollen Frauen umgeben sein und Frauen auf der Bühne sehen“, erzählt Kropf. Als Ina Freudenschuß die Band verlässt, kommt Andreas Spechtl von Ja, Panik als Schlagzeuger dazu. Man kennt sich in der Musikszene Wiens, aus der auch Luise Pop kommen. Und wie war es mit einem Mann in der Frauenrunde? Hat er gestört? Kein Problem, meint Kropf. Wichtig sei nur, dass er nicht zum Hahn im Korb wird: „Schließlich soll der Mann in der Band weder unterdrückt noch verhätschelt werden. Ich wünschte ja, die Geschlechterfrage würde gar keine Rolle spielen, aber das ist ja illusorisch.“

Neuerdings sitzt Martin Lehr am Schlagzeug. Spechtl ist mit Ja, Panik nach Berlin gezogen, und auch Vera Kropf ist an der Spree gelandet. Bei ihr hat sich seit dem letzten Luise-Pop-Album viel verändert – nicht nur geografisch. Vieles ging zu Ende, vieles habe sie aufgeben müssen: „Dieses emotionale Wirrwarr zwischen Festhalten und Loslassen steckt sicher in den Songs. Ich habe das Bild vom Phönix, der sich aus der Asche erhebt, vor Augen. Es geht darum, einen Schritt weiter zu gehen, das Trümmerfeld der Vergangenheit hinter sich zu lassen, Türen zu öffnen, das Unbekannte zu umarmen.“ Es sind Lieder wie „Desperate Times“ oder „Slow Motion“ auf der neuen Platte, die etwas Melancholisches haben, aber trotzdem sehr tanzbar sind. Gitarren mit viel Hall tragen den Hörer in „Gigolos And Dames“ weit weg an einen anderen Ort – ruhig, aber bestimmt.

Diese Kombination ist typisch für Luise Pop. So könnte in der brav aussehenden Reiterin auf dem Albumcover auch eine wild entschlossene Frau stecken, die sich jede Sekunde vom Acker macht. Die Gitarre ist ähnlich unberechenbar: In einem Moment spielt sie Träumerisches und fällt im nächsten in einen wilden Katzengalopp wie bei „Black Cat“. Der Bass von Erin Stewart, dem zweiten Bandneuzugang, versucht dazwischen zu beruhigen. Surf Noir nennen Luise Pop diesen Sound.

Vera Kropf erzählt, dass die Band mit vielen Spielereien an Synthie und Gitarre angefangen habe. Die Single „Turn It Off!“ von einer 2007 veröffentlichten 7-Inch-Platte weckt sogar Vergleiche zu Bands wie The Whitest Boy Alive. Dazu kam ein Schlagzeug aus dem Computer, was bei Live-Auftritten aber schwierig umzusetzen war: „Je mehr Geräte und Kabel, desto umständlicher. Davon sind wir abgekommen, die Tendenz geht zur Vereinfachung, hin zum Song und zur Reduktion.“ Aber es gibt einen Song auf „Time Is A Habit“, da lassen Luise Pop die reduzierten Hüllen fallen und zeigen, dass sie noch ordentlich Le Tigre im Blut haben. „Conceptual Dance“ wird in Anlehnung an Right Said Fred eine großartige Antihymne auf intellektuelle Verklemmtheit: „You’re too conceptual for a lover / You’re too conceptual for a friend / You’re too conceptual for a one-night-stand / So baby let’s / Conceptual dance!“ Das klingt, als habe das gesprächsfreudige Diskurspublikum in Berlin schon die ein oder andere Spur in den Texten von Vera Kropf hinterlassen.

Kommen eigentlich alle guten Wiener irgendwann nach Berlin? „Berlin ist eine tolle Stadt, in die es Menschen aus aller Welt zieht, natürlich auch aus Österreich. Aber Wien ist alles andere als ausgestorben. Da passieren spannende Dinge, neue Bands schießen wie die Pilze aus dem Boden.“ Trotzdem wollte Vera Kropf schon länger in die deutsche Hauptstadt ziehen – wegen der Freunde und ihrer musikalischen Umtriebigkeit. Zusammen mit Jens Friebe, Anna Leena Lutz und Julie Miess spielt sie neuerdings in der Berliner Band Half Girl. Zur Record-Release-Tour von Luise Pop werden sie drei Konzerte geben – eines davon natürlich in Berlin. Dann ist der Frauentag zwar schon eine Woche her, aber Lieder wie Luise Pops Coverversion von „Fast And Frightening“ der US-Punkband L7 funktionieren jeden Tag als feministische Aufmunterung und Kraftspritze: „She got so much clit she don’t need no balls“.

„Time Is A Habit“ ist bei Siluh Records erschienen. Record-Release-Konzert: 15.3., 21 Uhr, Monarch, Berlin

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