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Kultur: Lustig ist das Landserleben

Lustig ist das Landserleben - zumindest auf vielen Fotos, die deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg geschossen haben. Da lagert ein Trupp im Weizenfeld, als wäre es ein Biedermeier-Idyll von Spitzweg.

Lustig ist das Landserleben - zumindest auf vielen Fotos, die deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg geschossen haben. Da lagert ein Trupp im Weizenfeld, als wäre es ein Biedermeier-Idyll von Spitzweg. Ärsche recken sich aus der verschanzten Stellung. Am Funkgerät signalisieren die Zigarette im Mundwinkel und die Bierflasche auf dem Tisch Feierabendstimmung. Die Beutekuh wird nicht nur gemolken, sondern auch geritten. Krieg als Dienstreise, als Abenteuerurlaub und Männerlandverschickung. Millionenfach wurden Bilder von der Front in die Heimat gesandt, um dort sorgfältig in Alben geklebt zu werden oder in Zigarrenkisten zu verschwinden. Jawohl, ich lebe noch, sollten die Fotos sagen, mir geht es gut. Die Erinnerung hat einen Zackenrand, zu sehen sind immer bloß Posen, die Wirklichkeit im kleinteiligen Agfa-Ausschnitt. Das Buch "Foto-Feldpost", Begleitband zu einer Ausstellung im Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst, zeigt die Landser-Schnappschüsse zum ersten Mal in einem größeren, wissenschaftlich flankierten Zusammenhang. "Soldatenarbeit und Arbeitsgerät", "Der besondere Tag", "Fremde Länder", "Zerstörung", "Soldatenalltag" heißen einige Zwischenkapitel. Festgehalten sind die immergleichen Szenen: das Gammeln im Quartier, Touristengrüße vor Sehenswürdigkeiten, die endlosen Feld- und Schneeweiten des Ostens. Das Bild, das man sich macht, hat man von zu Hause mitgebracht. Die entschlossen gereckte Mimik, die feldherrenhaften Gesten entsprechen den Propagandaaufnahmen in "Signal" oder "Das Reich", auch wenn in leeren Gesichtern bisweilen die Angst aufblitzt. Und in den Einheimischen erkennt der deutsche Soldat zuverlässig das Feindbild. "Gefangene Flintenweiber", "Sind das Menschen?", "Russe aus dem Mittelabschnitt" steht unter den Fotos. Unter ein Bild von einem orthodoxen Juden hat der Täter-Fotograf notiert: "Polen 1939 Alexandrow. Judas verrecke".Peter Jahn, Ulrike Schmiegelt (Hg.): Fotofeldpost. Geknipste Kriegserlebnisse 1939-1945. Elefanten Press, Berlin 2000. 144 Seiten. 36 DM.

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