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Die Kopfskulpturen von Lutz Friedel vor den historischen Mauerresten im Lüders-Haus.

© Deutscher Bundestag, Julia Nowak (Junophoto)

Lutz-Friedel-Ausstellung in Berlin: Im Niemandsland des Grenzgebiets

Lutz Friedel hat sich melancholisch mit den Zwischen-Orten zwischen Ost- und Westberlin auseinandergesetzt. Eine Ausstellung zeigt nun die Werke dieses heimatlosen Grenzüberschreiters.

Schon von außen springen dem Besucher die Kopfskulpturen hinter der Glasfassade ins Auge, die der Künstler vor den historischen Mauerresten mit Blickrichtung auf die ehemalige Spreegrenze aufgestellt hat. Die überlebensgroßen Köpfe aus Eichenholz wirken von Weiten allein durch ihre schiere Anzahl, über 70 an der Zahl, und ihr einheitliches Material sowie die uniforme Farbgebung wie eine homogene Masse. Doch die Kopfskulpturen sind nicht nur unterschiedlich groß, auch die braun-weißen Farbtöne ihrer Bemalung sind so fein nuanciert, dass aus der Nähe kein Kopf dem anderen gleicht. Gerade durch die Anordnung als Gruppe, welche immer auch zum Vergleich zwingt, kommt der individuelle Ausdruck jedes Kopfs nur umso deutlicher zur Geltung. Und der Einzelne bekommt in der anonymen Masse wieder ein Gesicht. Diese Betonung des Partikulären mag als Absage an die sozialistische Gleichschaltung verstanden werden.

Vom Wunsch, die weite Welt zu sehen

Anläßlich des 25. Jahrestags der Mauerfalls wird im Mauer-Mahnmal des Deutschen Bundestags eine kleine Ausstellung des Malers und Bildhauers Lutz Friedel gezeigt, die zugleich einen ganz persönlichen Rückblick in seine Vergangenheit darstellt. So stellt der 1948 geborene Leipziger Künstler seinen Werken auch Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Fotografien gegenüber, die eine Einsicht in seine künstlerische Laufbahn in der DDR geben, welche mit seiner Ausreise 1984 ein abruptes Ende nimmt. In diesen Aufzeichnungen, die ausführlich in einem Begleitband erschienen sind, notiert er am 8.4.1981: „Schlimme Zeiten: Ausrichtung der Künstler in Reih und Glied. Letztes Bildende Kunst Heft, mit Artikeln in ihrem Anspruch und der Einseitigkeit, ja der Borniertheit, einfach zum Kotzen. (…)  Es gibt keine Opposition, deren Sprachrohr die Kunst werden könnte.“ Doch es ist vor allem der Wunsch, die weite Welt zu sehen, der ihn nicht mehr loslässt: „Gedanken an Abschied, muss doch mit 40 in New York gewesen sein!“ (2.12.1982).

Eine Auswahl davon ist zusammen mit anderen Dokumenten in Vitrinen ausgestellt, wo sich neben privaten Fotografien und Zeitungsausschnitten auch ein Brief mit der Ablehnung eines Studienplatzes an der Hochschule für bildende Künste Dresden findet, in der es etwas blumig heißt, dass Friedel „politisch und moralisch noch nicht reif zum Studium“ sei. Selbst wenn er später doch noch sein Studium aufnehmen durfte und als Meisterschüler von Bernhard Heisig an der Akademie der Künste sogar mehrmals die Genehmigung erhielt für Ausstellungen in den Westen zu reisen, bliebt sein Verhältnis zum Kulturbetrieb der DDR konfliktreich. Als sein Beitrag für die Ausstellung des Verbands Bildender Künstler „Vom Untergang der Titanic“ 1983 abgelehnt wird, stellt er einen Ausreiseantrag und siedelt ein Jahr später über.

Lutz Friedel: Der Heimatlose

In der Bundesrepublik entstehen 1987/88 Bilder von Bauwerken aus dem Niemandsland des Grenzgebiets. Die melancholische Auseinandersetzung mit diesen Zwischen-Orten, darunter dem Reichstag und dem Anhalter Bahnhof, bieten dabei nicht nur Einblick in die Seele eines Heimatlosen, sondern haben aus heutiger Sicht als Rückblick und Vorschau zugleich zu gelten. Denn die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Verkehrs zwischen Ost- und Westberlin, die sich auf seiner Papierarbeit „Untertunnelung des Brandenburger Tors“ noch als städteplanerische Utopie in Kreide und Acryl präsentiert, sollte schon kurze Zeit später Realität werden.

Dass das Verhältnis von Politik und Kunst auch nach der Wende schwierig bleibt, musste Friedel spätestens Anfang dieses Jahres feststellen, als seine Ausstellung übermalter Plakate, darunter auch Porträts von Stalin, Hitler und Ulbricht, im neuerbauten Brandenburger Landtag für soviel Aufregung sorgte, dass es schließlich sogar zu einer Abstimmung kam. Doch obwohl selbst die Kulturstaatsministerien Monika Grütters die Ausstellung damals als „außerordentlich problematisch“ bezeichnete, entschieden sich die Abgeordneten schließlich doch dafür, seine Werke zu zeigen.

Mauer-Mahnmal, Maria-Elisabeth-Lüders-Haus, Schiffbauerdamm, bis 22.2; Di bis So 11-17 Uhr, Eintritt frei

Mattes Lammert

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