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Kultur: Luxus der Länder

Bungalow war einmal: Ein Bildband über die Landesvertretungen in Bonn, Berlin und Brüssel.

Als Bonn die Bundeshauptstadt war, stets als Provisorium gedacht und erst ganz zum Schluss auf dem Weg zur bleibenden Einrichtung, hatten auch die Bundesländer nur sehr provisorische Vertretungen. Die hübschen Beamten- und Pensionärsvillen der Kaiserzeit boten den rechten Rahmen und die nötige Größe. Allein Bayern machte eine Ausnahme und engagierte den Vertreter der Nachkriegsmoderne, Sep Ruf, dessen transparentes Ensemble 1955 eingeweiht wurde – acht Jahre vor dem „Kanzlerbungalow“ für Ludwig Erhard. Rheinland-Pfalz wollte dann 1988 endlich etwas „Richtiges“ bauen, doch als der ansehnliche Erweiterungsbau fertig war, stand die Einheit unmittelbar bevor.

Ein knappes Jahr später fiel die Entscheidung für Berlin, und hier bauten die Länder nun wahrlich repräsentativ. Die an der TU Berlin lehrende Architekturhistorikerin Kerstin Wittmann-Englert hat mit ihren Studenten ein Kompendium der Landesvertretungen erarbeitet, das die 13 Gebäude für 15 Länder – zwei Bauten werden doppelt genutzt – vorstellt, dazu das Berliner Rathaus für das „Sitzland“. „Berlin besitzt somit eine geradezu vorbildlich sparsame Einzimmer-Vertretung in Mitte“, schreibt Mitherausgeber René Hartmann und verschweigt dabei, dass es kurzzeitig Überlegungen für eine eigene Berliner Botschaft gab. Umso unbescheidener präsentieren sich die potenten Länder Nordrhein-Westfalen und vor allem Baden-Württemberg, wobei NRW von den Landeskindern des Büros PPP aus Düsseldorf, B-W hingegen vom Berliner Dietrich Bangert architektonisch betreut wurde. Die wohl beste Architektur hat sich jedoch der kleine Stadtstaat Bremen geleistet, vom Berliner Büro Leon Wohlhage Wernik. Dankenswerterweise ist jeder Architekturbeschreibung ein historischer Beitrag zu dem jeweiligen Bundesland hinzugefügt, verfasst von Tagesspiegel-Redakteur Albert Funk, der auch den einleitenden Aufsatz zum deutschen Föderalismus beisteuerte.

Den größten Neuigkeitswert dürfte indes der Beitrag Wittmann-Englerts über „Die deutschen Landesvertretungen in Brüssel“ besitzen. Wer wüsste auf Anhieb, dass sich die Bundesländer den kostspieligen Luxus eigener Botschaften am Sitz der EU-Bürokratie leisten? Die Länder repräsentieren in „Patrizier- und Bürgerhäusern in bevorzugter Lage“, wie die Autorin feststellt; Berlin macht da mit einem handtuchschmalen Haus Wand an Wand noch die bescheidenste Figur, Sachsen und Thüringen protzen, und Bayern besitzt mit dem ehemaligen Institut Pasteur in unmittelbarer Nähe des EU-Parlaments eine wahre Topadresse. Die Frage, ob solcher Aufwand angesichts der immer weiter zunehmenden Zuständigkeit der EU noch zu rechtfertigen ist, umgeht Wittmann-Englert diplomatisch. Stattdessen zitiert sie einen Augsburger Politologen, der – was auch sonst! – mit Blick auf Bayern „repräsentative Gesellschaftsräume“ als „Orte politischer Struktur und Identitätspolitik“ rühmt.

Insgesamt ein informatives Buch zu einem leicht übersehenen Aspekt des ausgeprägten bundesdeutschen Föderalismus, und dank der exzellenten Fotografien von Alfred Englert eine höchst ansehnliche Architekturpublikation. Bernhard Schulz

Kerstin Wittmann- Englert, René Hartmann (Hrsg.): Bauten der Länder. Die Landesvertretungen in Bonn, Berlin und Brüssel. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu 2013. 232 Seiten, 19,80 Euro.

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