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Kultur: Männliche Madonna

Star mit Vorliebe fürs Abseitige: James Franco ist mit drei Filmen im PANORAMA dabei.

Für Hollywoodstars gehört es zur Imagepflege, in Außenseiterproduktionen mitzuwirken. Niemand geht in der Hinsicht so weit wie der 34-jährige James Franco. Seit „Planet der Affen: Prevolution“, dem Sommer-Blockbuster von 2011, sind zehn Filme von oder mit ihm uraufgeführt worden, die meisten unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Francos Lieblingsthema ist die amerikanische Literatur des 20. Jahrhunderts, über sie hat er an verschiedenen Elite-Unis Seminare belegt. Er hat Allen Ginsberg, Hart Crane und William Faulkner mit sperrigen Filmessays geehrt, so etwas schaut sich kaum jemand an. Aber James Franco wirkt nicht wie jemand, der um jeden Preis gefallen will, auch wenn er wie ein traditioneller Hollywood-Schönling aussieht.

Wenn er es gewollt hätte, wäre er das Gesicht der diesjährigen Berlinale. Drei seiner Filme laufen im Panorama, dreimal hätte er ein Bad in der Menge nehmen können. Stattdessen hat er Interviewanfragen im Voraus abgelehnt. Am vergangenen Freitag war er unangekündigt in Berlin, um die Ausstellung „Gay Town“ bei Peres Projects vorzustellen: eine Ansammlung von Gemälden und Videoinstallationen. Er erschien zu zwei Pressekonferenzen, einer geheimen zu „Die fabelhafte Welt von Oz“, der im März startet, und einer öffentlichen zu dem Panorama-Beitrag „Lovelace“. Und dann war er auch schon wieder weg.

James Franco gibt sich gern unnahbar. Im Augenblick produziert er sich als männliche Madonna. So engagiert er sich für sexuellen Nonkonformismus. Es gibt allerdings keine fundierten Gerüchte, dass er schwul sei – dennoch kokettiert er ständig damit. In dem engagiertesten der drei Panorama-Filme, „Interior. Leather Bar“, beklagt sich Franco über die negativen Auswirkungen der gleichgeschlechtlichen Ehe. Er befürchtet, dass dadurch eine neue Form der Diskriminierung entsteht: Monogame Schwule werden von der Gesellschaft akzeptiert und promiske geächtet. Franco formuliert die Befürchtung im Rahmen einer Pseudo-Doku über William Friedkins Thriller „Cruising“ (1980), der einst vom konservativen Flügel der Schwulenbewegung attackiert worden war. Die in dem Kultfilm dokumentierte Sadomasoszene gab es wirklich, aber das Hetero-Publikum sollte nichts von ihr erfahren. Friedkin erhielt Morddrohungen und musste 40 sexuell explizite Minuten herausschneiden. Vordergründig geht es Franco darum, die geschnittenen Szenen nachzustellen. Doch viel mehr interessieren ihn allgemeine Fragen nach der sexuellen Identität. Was fühlen Heteros – das sind die meisten seiner Akteure – wenn sie eine schwule Liebesszene spielen müssen? Ein Darsteller erklärt: „Ich mag meine Rolle nicht. Ich verstehe nicht, was der ganze Film soll. Aber ich wollte unbedingt einmal mit James Franco arbeiten.“

„Interior. Leather Bar“ dauert nur eine Stunde und hätte etwas länger sein können. Dagegen erweist sich das Kammerspiel „Maladies“ als Geduldsprobe. Unter der Regie des Installationskünstlers Carter spielt Franco einen Soap-Star, der seine Karriere aufgegeben hat, um fortan nur noch zu dichten. Gesellschaft leisten ihm Catherine Keener als transsexuelle Malerin, Goodson als kindlich-nymphomane Schwester und David Strathairn als schmachtender schwuler Nachbar. Das alles wirkt wie ein Off-Broadway-Stück, dessen Übertragung auf die Leinwand nicht ganz geglückt ist.

Über das Pornostar-Biopic „Lovelace“ ist schon alles gesagt worden, dabei gibt es nicht wirklich viel zu sagen. Die Regisseure Rob Epstein und Jeffrey Friedman hatten einen originellen Einfall: Sie haben die Geschichte der Sexikone Linda Lovelace („Deep Throat“) zweimal erzählt, zuerst als Erfolgs- und dann als Leidensgeschichte. Die grässliche Mode der siebziger Jahre ist detailgetreu rekonstruiert worden. In einer erschütternden Szene versucht Linda (die süße Amanda Seyfried) ihrem prügelnden Ehemann zu entkommen und bricht auf offener Straße zusammen, und die zur Hilfe eilenden Polizisten bitten sie um ein Autogramm. James Franco absolviert einen Kurzauftritt als Hugh Hefner. Aber den stärksten Eindruck hinterlässt Sharon Stone als puritanische Mutter von Linda Lovelace. Stone hat ihre Karriere genauso unseriös begonnen wie Franco. Man kann nur hoffen, dass er irgendwann einmal ihre Klasse erreicht. Frank Noack

„Interior. Leather Bar“: 12.2., 22.45 Uhr (CineStar 3), 13.2., 22.30 (Colosseum 1), 16.2., 21.30 Uhr (CinemaxX 7), 17.2., 17 Uhr (Cubix 9); „Maladies“: 12.2., 17 Uhr (Cubix 9) & 21.30 Uhr (Odeon), 13.2., 14 Uhr (International); „Lovelace“ 15.2., 18 Uhr (Friedrichstadt-Palast)

In „Interior. Leather Bar“ stellt er geschnittene SM-Szenen eines Schwulen-Klassikers nach

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