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Freund und Förderer der Archäologie. James Simon (1851-1932), Unternehmer, Industrieller, Kunstmäzen an seinem Schreibtisch 1931. Simon verdanken wir mit anderen die Gründung der Deutschen Orient-Gesellschaft (DOG).

© ullstein bild

Mäzen James Simon: Ein selbstloser Wohltäter

James Simon hat sein Vermögen sozialen und kulturellen Projekten zugewandt.

Es muss eine von der Öffentlichkeit kaum bemerkte Veranstaltung gewesen sein, mit der die Staatlichen Museen zu Berlin am 17. September 2001 – die Welt starrte paralysiert nach New York – den 150. Geburtstag von James Simon begangen haben. Doch die kleine Feierstunde im Alten Museum brachte die richtigen Leute zusammen. Es waren engagierte Berliner Bürger wie Bernd Schultz, Geschäftsführer des Auktionshauses Villa Grisebach, die den Namen des größten bürgerlichen Förderers der Berliner Museen wieder ins öffentliche Bewusstsein rückten.

Inzwischen ist ein Teil des Monbijou-Parks nach Simon benannt und vor wenigen Wochen wurde das Stadtbad Mitte seinem Andenken gewidmet. Das im Bau befindliche zentrale Eingangsgebäude auf der Museumsinsel wird den Namen James Simon-Galerie tragen. Endlich besinnt man sich auf einen der maßgeblichen Wohltäter der Stadt.

Der Mann, der den Berlinern die Nofretete-Büste geschenkt hat, war ein Philanthrop alter Schule. Tue Gutes und rede möglichst laut darüber – die eiserne Grundregel moderner Sponsoren wäre ihm wohl nie in den Sinn gekommen. Stattdessen ist ein anderer Satz von Simon überliefert: „Dankbarkeit ist eine Last, die man niemandem aufbürden sollte.“

Dass Simon so lange vergessen war, liegt freilich nicht an seiner Bescheidenheit, sondern daran, dass die Nationalsozialisten (und das Desinteresse der Nachkriegsjahrzehnte) das Andenken des im Mai 1932 verstorbenen jüdischen Unternehmers beinahe ausgelöscht haben. Wie „jüdisch“ der konfessionell nicht allzu stark Gebundene tatsächlich gewesen ist, darüber ist unter den Experten noch nicht das letzte Wort gesprochen. Auffällig zumindest, so Simons Biograf Olaf Matthes (zuletzt in: Olaf Matthes, James Simon. Die Kunst des sinnvollen Gebens. Jüdische Miniaturen, Band 117, Berlin 2011), sei die starke soziale Komponente in Simons Mäzenatentum. Damit stand der – nach heutigen Kriterien superreiche – Baumwollgroßhändler fest in der Tradition jüdischer Wohltätigkeit.

Ein begnadeter Netzwerker

Beispiele von Fragmenten farbiger Fliesen als Wandeinlage. Neues Reich, 18. Dynastie, 1351-1334 v. Chr.; polychrome Fayence. Wie alle Objekte der Amarna-Sammlung gehören auch diese Scherben zur Schenkung James Simon.
Beispiele von Fragmenten farbiger Fliesen als Wandeinlage. Neues Reich, 18. Dynastie, 1351-1334 v. Chr.; polychrome Fayence. Wie alle Objekte der Amarna-Sammlung gehören auch diese Scherben zur Schenkung James Simon.

© Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Jürgen Liepe

Schon die Zahlen machen Gewichtungen deutlich: Nach Schätzungen spendete Simon, der auf der Berliner Millionärsliste (den Kaiser mitgerechnet) an sechster oder siebenter Stelle stand, ein Viertel bis ein Drittel seines Jahreseinkommens, das sich 1911 auf 2,4 Millionen Reichsmark belief, für Sozialprojekte. Für den Erwerb von Kunstwerken wie der exquisiten Sammlung italienischer Gemälde, Medaillen und Plaketten des 15. bis 17. Jahrhunderts, die er 1904 als Schenkung zur Ersteinrichtung des Kaiser-Friedrich-Museums (heute Bodemuseum) beisteuerte, gab Simon hingegen nur 10 bis 15 Prozent seiner Einkünfte aus. Simon gehörte zum illustren Sammlerkreis um den Berliner Museumsdirektor Wilhelm von Bode und war fraglos der verlässlichste Mäzen dieses Kreises. Allein auf den Kunstfreund reduzieren lässt sich die Persönlichkeit James Simon allerdings nicht.

Für den Sohn eines Schneiders und einer Rabbinertochter gehörten Kunst, Kultur, Bildung, soziales Wohlergehen und preußischer Patriotismus untrennbar zusammen. Als Mitbegründer des Vereins für Volksunterhaltungen organisierte Simon die „edle Geselligkeit und bildende Anregung“ der Arbeiterschaft in Form von Sonderkonzerten der Berliner Philharmoniker mit Eintrittspreisen zwischen 30 und 80 Pfennigen. Als Promotor des Vereins für Ferienkolonien ließ er auf eigene Kosten ein Ferienheim für Arbeiterkinder an der Ostsee bauen, als Vorstandsmitglied eines Vereins für den Schutz missbrauchter Kinder finanzierte er gemeinsam mit dem Bankier Franz von Mendelssohn das 1906 eröffnete „Haus Kinderschutz“ in Zehlendorf, das 100 Kinder aufnehmen konnte.

James Simon muss ein begnadeter Netzwerker gewesen sein, der zum Berliner Magistrat einen ebenso kurzen Draht besaß wie zu Kaiser Wilhelm II. Den an Archäologie und Geschichte begeisterten Kaiser dürften besonders Simons Aktivitäten in Nordafrika und im Vorderen Orient gefallen haben. Mit dem Abstand eines Jahrhunderts erkennen wir natürlich unschwer darin das imperialistische Weltverständnis des Kaiserreichs. Deutschland, die zu kurz gekommene Kolonialmacht, suchte Einfluss im Osmanischen Reich, zu dem damals auch Palästina und Ägypten gehörten. James Simon war maßgeblich an der Etablierung zweier Vereine beteiligt, die deutsche Ansprüche im „Land der Bibel“ formulierten. 1901 gründete sich in Berlin der Hilfsverein der deutschen Juden, dessen Präsident Simon wurde. Der Verein unterstützte nicht nur osteuropäische Juden bei der Immigration nach den USA und Palästina, sondern ließ deutschsprachige Kindergärten, Schulen, Lehrerseminare und das Polytechnikum Haifa als Höhere Lehranstalt in Palästina errichten – in bewusster Abgrenzung zur zionistischen Bewegung.

Bereits 1898 entsprachen Simon und andere kulturpolitische Strippenzieher dem Wunsch des Kaisers und gründeten die Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG). Finanziell üppig ausgestattet, politisch auf höchster Ebene abgesichert, entwickelte sich die DOG als Deutschlands „wissenschaftliches Garderegiment“ (Theodor Wiegand) zum effizientesten Grabungsveranstalter im Vorderen Orient vor Ausbruch des Weltkriegs. Archäologen wie Robert Koldewey, Walter Andrae und Ludwig Borchardt setzten in Babylon, Assur und Tell el-Amarna wissenschaftliche Standards, von denen nicht nur die Berliner Museen profitierten. Bei der Grabung in Tell el-Amarna zwischen 1911 und 1914 war es James Simon, der die Rolle des alleinigen Finanziers übernahm – und als Mäzen 1920 zum glücklichen Ende führte, obwohl sein Vermögen dahinschwand. Ein einmaliger Fall von bürgerlicher Verantwortung. Berlin wäre ärmer ohne ihn. Michael Zajonz

Den ergreifenden Lebensweg von James Simon hat Carola Wedel in ihrer Dokumentation „Der Mann, der Nofretete verschenkte – James Simon, der vergessene Mäzen“ nachgezeichnet. Der Film ist am Samstag, den 8. Dezember 2012 um 20 Uhr 15 auf 3Sat zu sehen.

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