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Kultur: Mahnmal Wagner

Ein

von Christine LemkeMatwey

Der Vergleich als solcher hat es an sich, dass er gerne hinkt. Äpfel unterscheiden sich nun einmal grundlegend von Birnen, früher war sowieso alles ganz anders als heute – und die beiden Maestri Herbert von Karajan und Nikolaus de la Fontaine Graf d’Harnoncourt-Unverzagt eint nicht einmal der österreichische Adelsstand. Letzteres geht aktuell auf Marcel Reich-Ranicki zurück, der in der jüngsten Nummer des Musikblättchens „Rondo“ behauptete, Harnoncourt hätte Karajan einst als einen der „ größten Missetäter des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet – uncharmanterweise, äh, neben Adolf Hitler. MRR’s Entschuldigung für diesen mindestens etwas unscharf erinnerten Vergleich folgte, wie man sich denken kann, auf dem Fuße ...

Und noch’n Vergleich. Der Architekt Peter Eisenman nämlich hat sich im Interview mit der „Zeit“ als „intuitiver Denker-Typus“ empfohlen und – im Blick auf das Holocaust-Mahnmal – von „Affekten“ gesprochen, ja von der „primär körperlichen Erfahrung“, die sein Bau vermitteln wolle. Im besten Fall soll dem Mahnmal etwas Ähnliches gelingen wie den Opern Wagners, die „die deutsche Seele für das Unbewusste“ geöffnet hätten. Um „Dunkelheit“ also geht es und um das „Verdrängte“, hier wie da. Ob der 72-jährige Eisenman sich nun als Regisseur für den Bayreuther „Ring“ 2012 ins Gespräch bringen will, oder ob seine „zwanzigjährige Psychoanalyse“ daran schuld ist: Dieser Vergleich hinkt nicht, er humpelt. Wagner gilt längst nicht mehr als der Meister jenes ominösen Wollt-Ihr-die-totale-Musik-Rausches, für den die Nationalsozialisten ihn missbrauchten. Bei Wagner geht es um Liebe und um Macht – und um knallhart aufgeklärte Gesamtkunstwerksstrukturen. Dirigenten wie Harnoncourt wissen das schon lange, Architekten wie Eisenman offenbar leider nicht. Aber was haben die schon miteinander zu tun.

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