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Kultur: Makeln und merkeln

Den Umfragen zufolge befindet sich Angela Merkel derzeit auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit. Offenbar haben die Wähler den Eindruck, dass die Bundeskanzlerin sich mit ihrer souveränen, unaufgeregten Art auf den sich jagenden EU-Gipfeln jeweils durchsetzt und das Geld der Bürger beschützt.

Den Umfragen zufolge befindet sich Angela Merkel derzeit auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit. Offenbar haben die Wähler den Eindruck, dass die Bundeskanzlerin sich mit ihrer souveränen, unaufgeregten Art auf den sich jagenden EU-Gipfeln jeweils durchsetzt und das Geld der Bürger beschützt.

Aber verträgt sich diese Einschätzung mit den Tatsachen? In den vergangenen zwei Jahren ist Merkel vor allem durch eine Politik des Hinhaltens und Aufschiebens aufgefallen. Sie hat nicht regiert, sondern halbherzig und zu spät reagiert. Als die Finanzmärkte im Frühling 2010 gegen Griechenland zu wetten begannen, war Merkels erste Ansage – mit Blick auf die Wahlen in Nordrhein-Westfalen –, die Deutschen würden keinesfalls für griechische Schulden zahlen. Die Boulevardblätter sekundierten – mit Ausfällen gegen die „faulen“ und „korrupten“ Griechen. Als die Kanzlerin sich dann zur „Rettung Griechenlands“ entschloss, deren Kosten sich durch ihr Hinhalten verdreifacht hatten, hat sie den Deutschen nicht erklärt, dass es dabei keineswegs um Griechenland, sondern um die Rettung des Euro und der Banken ging. Auch die Gelegenheit, vorzurechnen, was eine Pleite Griechenlands und eine Rückkehr zur D-Mark kosten würde, hat sie verstreichen lassen – mit der Folge, dass eine Mehrheit der Deutschen sich diese Rückkehr noch immer wünscht.

Das erste Rettungspaket fiel dank Merkel zu bescheiden aus, was alle Fachleute vorausgesagt hatten. Hastig wurde ein zweiter Schirm aufgespannt, der sich – wegen angeblich unvorhersehbarer Löcher im griechischen Haushalt – als unzureichend erweist. Hat Merkel den Deutschen erklärt, dass sich die Schulden eines Staates, der dank erzwungener Sparpolitik jährlich bis zu acht Prozent Minuswachstum erzielt, erhöhen, kurz, dass die griechische Wirtschaft Wachstumsimpulse braucht? Fehlanzeige!

Man kann darüber streiten, ob Angela Merkel die Deutschen für das europäische Projekt gewinnen könnte, wenn sie ihnen die Wahrheit über dessen finanzielle und politische Kosten zumuten würde. Hätte Helmut Kohl die Deutschen zur Einheit verführen können, wenn er ihnen nicht den Schwindel von den „blühenden Landschaften“ erzählt hätte? Als er aufflog, war der Einheitsvertrag längst beschlossen. Doch Europa ist noch meilenweit von der unausweichlichen politischen Union entfernt. Merkel scheint weiter entschlossen, um keinen Preis ein Risiko einzugehen, das sie die Kanzlerschaft kosten könnte. Aber auch ihre Politik des Nachbesserns enthält ein Risiko. Wenn das europäische Projekt nur noch als eine auf EU-Gipfeln beschlossene Zwangsveranstaltung, als Schuldenfalle und Geldgrab wahrgenommen wird, braucht man sich über die innere Abwendung der Bürger nicht zu wundern. Statt in einer großen europäischen Rede deutlich zu machen, wie sehr gerade Deutschland vom Euro profitiert und dass es um mehr geht als um das Zahlen für andere, scheint Merkel weiter auf eine Politik der Überlistung des Wählers zu setzen.

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