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Kultur: Makrelenfischer und Gorgonenarme

LITERATUR

Es beginnt mit einem Makrelenschwarm, der sich über den leblos im Meer treibenden Körper einer Frau hermacht, und das ist in gewisser Weise schon das Ende. Wie Emilie, die geheimnisvolle Wasserleiche starb,und warum sie lächelt, während sie mit ihren langen schwarzen, an „Gorgonenarme“ erinnernden Haaren der endgültigen Auflösung entgegentreibt, erzählt Nicolas Michel , der 1974 geborene französische Autor, der Politikwissenschaften studierte und zunächst als Journalist arbeitete, in seinem zweiten Buch Emilies letzte Reise rückwärts (Aus dem Französischen übersetzt von Renate Nentwig. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003. 160 Seiten, 16 €). Es erfüllt das Versprechen, das er vor vier Jahren mit seinem Debüt „Revenants“ gab, für den er den Prix Goncourt du Premier Roman gewann.

Der Leser ahnt bald. dass er es nicht mit einem simplen Whodunnit zu tun hat, während er Emilies Weg über ein langes Wochenende auf und um Korsika zurückverfolgt. Zahlreiche Inselbewohner bekommen es mit der Toten zu tun: der Makrelenfischer, der sich nach seiner Heimat Algerien sehnt und selbst am Beginn einer letzten Reise steht; die filmreifen Bankräuber, die im Kofferraum ihres gestohlenen Fluchtautos auf ein unerwartetes Erschwernis stoßen; der alternde Inselmafioso, der nach einem Zirkusbesuch unter dem Bett seines Hotelrefugiums auf eine Leiche stößt.

Keines dieser Inselschicksale aber bereitet auf die Geschichte der Trapezkünstler Emilie und Léo vor. Seelenverwandte seit Kindestagen, treibt es die beiden Heranwachsenden in einen Rausch der Gemeinsamkeit und im gemeinsamen Rausch zu einer immer gewagteren Höhenkunst. Wie der Schwindel und die Liebe in beider Leben eingreift, das ist die eigentliche Geschichte, die dieses Buch erzählt.

Michael Adrian

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