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Kultur: Maler mit Machete

Seinen ersten Auftritt hatte er letztes Jahr in der Berliner Galerie Contemporary Fine Arts.Die Ausstellung mobilisierte sofort Verfechter und Verächter und war mit Grund umstritten.

Seinen ersten Auftritt hatte er letztes Jahr in der Berliner Galerie Contemporary Fine Arts.Die Ausstellung mobilisierte sofort Verfechter und Verächter und war mit Grund umstritten.Denn stets tritt der Hamburger Daniel Richter mit Pinsel, Spachtel, Messer auf wie der Pirat Long John Silver mit der Machete.Wer nicht mit ihm ist, der ist wider ihn, und den pustet er mit einem Wortschwall an die Wand.Wenn er neben seinen Bildern steht und wie ein Sturzbach redet, ist er unschlagbar, für manche sogar überzeugend.Nun hat der 1962 Geborene den "Otto Dix Preis" für eben jenen Bild-Typus erhalten, den er in Berlin jüngst ausgestellt hat.Er verficht zwar die alten Werte, als habe er sie selbst entdeckt: Handschrift, Stil, Originalität.Was aber letztlich deutlich wird, ist eine rasende Aggressivität gepaart mit dem unbedingten Willen, alles unter Kontrolle zu bekommen.

Seine Bilder sind Schlachtfelder, aus denen das Maler-Ego stets als Sieger hervorgeht - zumindest im Atelier.Seine Feinde lauern in den kunsthistorischen Fakultäten.Und er mobilisiert alles, um das Bildvermögen seiner Taten aus dem Ordnungssystem des akademischen Diskurses befreien.Warum? Um Malerei als Faszinosum und Denkform nach altem Maßstab erneut zu etablieren und als Kraftfeld des Unfaßlichen in Schönheit strahlen zu lassen.Aber wie? Er versucht alles noch einmal und alles auf einmal zu sagen und instrumentiert jedes Bild als Kollaps.Mehr ist mehr.Richter nimmt es mit der gesamten Malerei auf.Er will dem Farbgemetzel mehr als nur den Schatten des Wirklichen abtrotzen und als Tatbestand der Malerfaust spürbar machen.Dazu nimmt ein Freibeuter wie er, was er kriegen kann, und schleudert es auf die Leinwand.Corinth und Baselitz in eins verrührt.Und in der Pose eines Kraftpakets verdichtet sich die gesammelte Energie zum letzten Gefecht: Farbgesprengsel ohne sichtbare Ordnung, aber von gewollt hoher Wirksamkeit.Danach mag ein schwarzes Quadrat oder nur noch weißes Rauschen kommen.

Das größte Rätsel aber ist, weshalb er einen solchen Horror vor der Leere hat.Jede Stelle ist bestimmt.Der Blick findet keinen Punkt, an dem er ruhen kann.Und wollte das Tyrannische sich in Bildern spiegeln, dann wählte es die seinen.Das finden manche hinreißend.Endlich ein Mann mit Power im Malereirevier.Doch auch das hat seine Zeit."Der Menge gefällt, was auf dem Marktplatz taugt, und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen", faßte Hölderlin das Phänomen.Die Knechte haben Richter zum neuen Kometen am Malerhimmel gekürt.Und solange er glüht, ist es schön, zu ihm aufzuschauen.Denn es ist trotz allem gut, daß einer wieder aufstand und sagte: alles ist möglich - auch in der Malerei.

Jede befreiende Geste im Kunstbereich ermuntert andere zur eigenen.Dafür muß man die Ehrung begrüßen und sich gleichwohl wundern.So unbekümmert malten die Besten der "neuen Wilden", als sie noch frisch waren.Doch die Kuratoren der Welt mögen uns, die wir die Umstürze der Kunst lieben, vor einem Aufguß verschonen.Der Maler Daniel Richter ist nur bedeutend, solange er ein Solitär bleibt.Im Rudel ist er von Übel.Aber neben Blinky Palermo und Gerhard Merz sähen seine Bilder ziemlich cool aus: als scherte sich da einer um gar nichts und sei frei.

Kunstsammlung Gera, bis 13.September.

PETER HERBSTREUTH

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