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Kultur: Malerei: Füllhorn des Nichts

Malerei im Lapidarium stellt Künstler wie Ausstellungsmacher vor Schwierigkeiten: Zur eigenwilligen Architektur des von James Hobrecht 1876 errichteten Pumpwerks reihen sich zahlreiche Skulpturen in dem denkmalgeschützen Bau, der seit 1978 als "Steinsammlung" dient. Martin Matschinsky empfand gerade diesen Ort als "aufregend"; zumindest in der Eingangssituation wirkt die Ausstellungsarchitektur gelungen.

Malerei im Lapidarium stellt Künstler wie Ausstellungsmacher vor Schwierigkeiten: Zur eigenwilligen Architektur des von James Hobrecht 1876 errichteten Pumpwerks reihen sich zahlreiche Skulpturen in dem denkmalgeschützen Bau, der seit 1978 als "Steinsammlung" dient. Martin Matschinsky empfand gerade diesen Ort als "aufregend"; zumindest in der Eingangssituation wirkt die Ausstellungsarchitektur gelungen. Drei extreme Hochformate überragen mit je sechs Metern Höhe den Herkules. Fließende Farbigkeit und abstrakte Emblematik der Leinwände umgeben die Kolossalstatue mit einer Leichtigkeit, die den monolithischen Halbgott fast mitschweben lässt. Der ätherische Charakter der drei mit "Hohes Bild" betitelten Arbeiten wird durch den Verzicht auf jegliche Rahmung unterstrichen. So fragil sie im Raum wehen, so leise versetzt der Künstler das Gewebe mit Chiffren, die den farbigen Untergrund für den Bruchteil einer Sekunde nur zu berühren scheinen.

Eine Berlin-Premiere, ausgerichtet von der Berlinischen Galerie: Gemeinsam mit Brigitte Matschinsky-Denninghoff ist Martin Matschinsky vor allem als Schöpfer der Chromnickelstahl-Plastiken international hervorgetreten. Erst vor sechs Jahren hat er zu Leinwand und Pinsel gegriffen. Zum neuen Terrain gehört für ihn, der im Juli dieses Jahres seinen 80. Geburtstag feierte, auch der Griff zu unkonventionellen Mitteln. So wird die Farbfläche mit Fingern, Schwamm oder Pinselstil bearbeitet, Rakel heben eine zellstoffartige Form aus luftig blauem Farbgrund oder deuten in lichtem Grau-in-Grau schemenhaft Figuren an. Eine gewisse Nähe zum freien Formenkanon seiner Zeichnungen lässt sich da ablesen; aus dem verhalten modulierten Farbgrund klingt die lyrische Abstraktion eines Hans Hartung, mit dem das Bildhauer-Paar seit den Pariser Jahren befreundet war.

Doch evoziert die einheitliche Farbigkeit der Acrylbilder zugleich das raumplastische Denken des Bildhauers. Die tonalen Klänge entfalten vor allem in den Nuancierungen die zweidimensionale Fläche zum Luftraum, verleihen den gestischen Verwebungen eine Spannung von Ruhe und Unruhe. Eine frühe Arbeit von 1995 vermittelt diese Tiefenwirkung der Farbfläche im changierenden Grün und Gelb, dessen flüssige Konsistenz sich zu farbiger Stofflichkeit steigert. Während die Bilder ein kontemplatives Naturempfinden spiegeln, leben die Zeichnungen, die parallel in der Galerie Mönch zu sehen sind, vom spontanen, quirligen Gestus. In seiner Laudatio auf den Zeichner Martin Matschinsky umschrieb Fritz Jacobi, Kustos der Neuen Nationalgalerie, ihren Charakter mit einer "bedrohlichen Offenheit". Offenheit, die mit betörender Prägnanz minimale Notationen auf das weiße Papier setzt und dessen asketische Möglichkeiten bis an die Grenzen ausschöpft. Offenheit aber auch, die ambivalente Gefühle hervorruft und die Freiheit ebenso thematisiert wie den ungewissen Ausgang und das Risiko, dem sich Matschinsky auch im Spätwerk mit Elan hingibt.

Der gestische Impetus der Kürzel verleiht den Blättern eine vitale Emotionalität, bisweilen mit zartfarbigem Rot oder Blau unterlegt. Dann wiederum tauchen aus weißen Schraffuren Horizontlinien auf, an denen das Auge entlangwandert und hinter das Sichtbare in universale Weite geführt wird. Andere Blätter verzichten selbst auf diese unbunte Strukturierung. Im rhythmischen Nebeneinander schwarzer Senkrechten, die sich verdichten und wieder aufzulösen scheinen, eröffnen sie einen heiteren Tanz - ein Füllhorn des Nichts.

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