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Kultur: Malerin des Lichts

Die Berliner Künstlerin Gunda Förster erhellt die Mannheimer Kunsthalle

In ihrer jüngsten Arbeit „Circle“, die Gunda Förster für die Mannheimer Kunsthalle entwickelte, dimmt die Berliner Künstlerin Licht und Raum auf deren elementare Begriffe herunter. Wie ein Foucault’sches Pendel beschreibt die an einem langen Seil hängende Glühbirne eine konstante Kreisbewegung. Ihr Licht versetzt den Raum in Bewegung und mit ihm den Betrachter, dessen Schatten über die Wände tanzt. Dass der Betrachter in „Circle“ zugleich Zeuge und Teil des Kreislaufes wird, ist die eine Seite. Weit stärker dominiert der Eindruck, die Künstlerin schaffe so eine Wirklichkeit, die sich höchstens an deren ephemeren Zuständen bemessen lässt.

Die Wirklichkeit ist ein sonderbares Konstrukt. Sie ist einfach da, lässt sich als solche wahrnehmen, und doch bleibt ein Restzweifel, der, was wir Wirklichkeit nennen, in Frage stellt. In der bildenden Kunst scheint man sich schon vor Jahrhunderten darauf geeinigt zu haben, dass sie in reinster Weise konstruiert sei. Denn die Wirklichkeit, wie die Kunst sie etabliert, bleibt stets an die Mittel ihrer Hervorbringung gebunden – ganz gleich, ob sie uns in der Malerei oder Fotografie, als Plastik oder Installation begegnet. Es spricht viel dafür, dass diese Wirklichkeit zweiter Ordnung eine andere ist. Dennoch bleibt besagter Restzweifel: Auch die Kunst kann sich den Fragen nach ihrer eigenen Wirklichkeit nicht entziehen.

Gunda Försters Arbeiten könnte man als Bilder, Projektionen oder auch Installationen bezeichnen. Sie sind gleichzeitig weniger und mehr, betreffen sie doch die Grundkoordinaten Raum, Zeit, Licht und Bewegung. Die aktuellen Arbeiten, die Förster in Mannheim installiert hat, verdeutlichen ihren souveränen Umgang mit diesen Medien. Der Betrachter betritt die Kunstwerke, kann sie wahrnehmend durchschreiten.

Exemplarisch für diese physische Erfahrungswelt steht „White Noise“ (2000). An den Wänden eines abgeschlossenen Raumes sind auf Augenhöhe Scheinwerfer angebracht, deren Lichtstärke mit den verschiedenen Frequenzen elektronisch erzeugter Sinustöne korrespondiert. Während die tiefen Töne die Niederungen des Körpers durchdringen, scheint sich der subjektive Wahrnehmungsbereich bei steigender Frequenz und stärkerem Licht zunehmend Richtung Kopfhöhe zu verschieben. In dem Video „Noise“ (2004) wiederum schafft Förster durch die Projektion eines bewegten Bildes für den gesamten Umraum eine intensive Atmosphäre. Die mit langen Belichtungszeiten von Fernsehschirmen abfotografierten Videobilder erzeugen ein informationsloses Rauschen.

Was also ist das für eine Wirklichkeit, die Gunda Försters Installationen herstellen? Eine mögliche Antwort: „Zeitloses Licht – vergessene Bilder – zeitlose Bilder – vergessenes Licht.“ Der Zirkel, den die Künstlerin mit diesem Titel benennt, macht die Sache auch nicht klarer.Während er eher in den kognitiven Zonen unseres Bewusstseins nachklingt, vermitteln ihre Installationen ganz konkrete Erfahrungsräume; sie sind weit mehr als nur technisch nachvollziehbare Versuchsanordnungen. In „Emerge“ (2004) überdauern die Bewegungen eines kleinen Lichtpunktes nur für einen kurzen Moment als Nachbild auf der Netzhaut. Auch Försters Lichtbilder und -räume sind zwar nicht zeitlos, aber man vergisst sie nicht so bald.

Kunsthalle Mannheim, bis 12. September. Katalog mit DVD 15 Euro.

Ralf Christofori

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