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Kultur: „Manchmal geh ich mit Mick Jagger zum Strand“ Das Woodstock-Konzert hat er verpasst, weil er an dem Tag Schlaghosen verkaufte.

Mr. Hilfiger, Ihr Label gibt es jetzt seit 25 Jahren.

Mr. Hilfiger, Ihr Label gibt es jetzt seit 25 Jahren. Und gleich zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie sich selbst als einen der vier wichtigsten amerikanischen Modedesigner gepriesen, auf Augenhöhe mit Perry Ellis, Ralph Lauren und Calvin Klein. War das Mut oder Größenwahn?

Um ehrlich zu sein, das war nicht wirklich meine Idee. Ich hatte zwei Partner, Mohan Murjani und George Lois, einen Werbefachmann. Als Newcomer brauchst du normalerweise Jahre, bis die Leute dich kennen. Die beiden rieten mir: Wenn wir so rangehen, wird dein Name über Nacht bekannt.

Angeblich haben Sie damals ein Orakel befragt, bevor Sie sich trauten, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Mir wurde ein Job bei Calvin Klein angeboten und ich wusste nicht so recht, was ich machen sollte. Da habe ich tatsächlich eine Wahrsagerin befragt. Und die hat gesagt, nimm nicht den Job bei Calvin Klein, da kommt noch was Besseres.

Wir sitzen hier in einer New Yorker Fabriketage, umringt von Ihrer neuen Kollektion – nach 25 Jahren in der Branche, wo sehen Sie sich heute?

Ich sehe mich selbst als einen der erfolgreichsten Designer der Welt. Wobei das hier natürlich keine One-Man-Show ist, ich habe auch das beste Team, das man sich vorstellen kann.

Nun ist Ihre Marke gerade für drei Milliarden Euro verkauft worden, warum?

PVH und ich, wir passen zusammen, weil wir das Gleiche wollen: Stil und gehobene Qualität. Zusammen sind wir einer der größten Konzerne für Markenbekleidung und werden Kunden in der ganzen Welt bedienen können.

Phillips-Van Heusen ist ein Konzern, zu dem auch Ihr alter Rivale Calvin Klein gehört. Welche Rolle werden denn Sie persönlich in diesem Unternehmen noch spielen?

Die gleiche wie vorher: Ich bleibe Chefdesigner meiner Marke.

Wir waren gerade bei Ihren Anfängen 1985. Ich würde gern noch ein bisschen weiter zurückgehen. Können Sie sich noch an das Wochenende vom 15. zum 17. August 1969 erinnern?

Sie meinen das Woodstock-Wochenende? Oh ja, daran kann ich mich sehr gut erinnern.

Sie waren damals 18 und lebten in Elmira, New York, praktisch bei Woodstock gleich um die Ecke. Wie haben Sie das Wochenende verbracht?

Ich war in Massachusetts und habe gearbeitet, in einer Boutique in einem kleinen Ort bei Cape Cod. Ich habe dort Poster verkauft, Räucherstäbchen, Modeschmuck. Alle meine Freunde wollten nach Woodstock, aber für mich ging die Arbeit immer vor. Natürlich wäre ich auch gern gegangen.

Woodstock, das wären von Cape Cod ungefähr 500 Kilometer gewesen, schon ein Stück, aber machbar.

Es hätte mich vielleicht 50 Dollar gekostet, und ich habe mein Geld damals sauer verdient. Aber ich war schon ein bisschen traurig, als alle zurückkamen und schwärmten. Ich habe mir dann das Album immer wieder angehört.

Hatten Sie einen Lieblingssong?

Ich weiß nicht, ich erinnere mich an so viele: Jimi Hendrix, Crosby, Stills and Nash, Ten Years After, Joan Baez, Richie Havens, die sehe ich alle vor mir. The Who, die mochte ich sehr, Pete Townsend. Und die Stones, die sind zwar nicht in Woodstock aufgetreten, waren aber meine Helden.

Neben Ihrem Anwesen in Connecticut lebte Keith Richards. Trotzdem haben Sie das Haus vor kurzem verkauft.

Also, er war ja nicht mein unmittelbarer Nachbar, er wohnte in der Nähe, das ist wahr. Dass ich das verkauft habe, hat nichts mit ihm zu tun. Ich habe ja noch ein Haus auf Mustique, das ist eine kleine Karibikinsel, da wohnt Mick Jagger nebenan.

Wie oft beschweren Sie sich über den Lärm?

Nie, Mick Jagger ist ein Gentleman! Seine Kinder konnten immer sehr gut mit meinen, wir essen hin und wieder zusammen.

Oh, kochen Sie dann auch gemeinsam?

Das nicht, aber manchmal gehen wir zum Strand runter und picknicken, alles sehr zwanglos.

Sie sagten, Ihre Arbeit habe Sie davon abgehalten, nach Woodstock zu fahren. Sie sollen damals auch einen eigenen Laden gehabt haben, „Peoples Place“. Wie muss man sich den vorstellen?

Das war ein sehr kleiner Laden, innen ganz in Schwarz gestrichen. Im Hintergrund liefen die Beatles, Hendrix auch, wir hatten Räucherkerzen und all diesen Hippiekram. Dazu verkauften wir die Mode, Schlaghosen und …

… Tommy Hilfiger trug Schlaghosen?

Natürlich. Und ich hatte lange Haare, auch wenn Sie sich das heute nicht vorstellen können.

Wenn Sie heute alte Fotos aus der Zeit sehen, denken Sie dann manchmal: Meine Güte, wie sah ich denn aus?

Nein, das war eben die Zeit, da sahen alle so aus.

Sie waren damals 18 Jahre alt. Die USA standen im Vietnamkrieg und hatten noch die Wehrpflicht. Wie kam es, dass Sie nicht eingezogen wurden?

Sie müssen sich das wie eine Art Lotterie vorstellen, richtig mit Losen. Und ich hatte bei der Ziehung Glück. Wenn ich das falsche Los gezogen hätte, wäre ich abgehauen, nach Kanada oder sonst wohin. Keine Ahnung wie, aber ich wäre ganz bestimmt nicht in die Armee gegangen.

Waren Sie ein Rebell?

Unbedingt. In vielerlei Hinsicht. Meine Eltern hätten gern gesehen, dass ich auf die Universität gehe und einen ganz normalen Beruf ergreife, doch das interessierte mich nicht. Darüber war mein Vater ebenso wenig begeistert wie über meine langen Haare. Oder über meine Jeans. Jeans, die durfte man in der Freizeit tragen, sonst nicht.

Vermissen Sie die Sixties?

Oh ja. Ich vermisse diese Sorglosigkeit. Diesen Lifestyle voller Musik und einfach nur Spaß. Wir haben uns nicht viele Gedanken über Verantwortung gemacht.

Sie sollen vor nicht allzu langer Zeit eine heftige Auseinandersetzung in einer Kneipe in Greenwich Village gehabt haben.

Sie meinen diese Sache mit Axl Rose von Guns’n Roses, das ist doch schon drei Jahre her.

Haben Sie ihn wirklich geschlagen?

Also, da waren noch Kid Rock, Lenny Kravitz, Axl Rose …

… Sie waren gemeinsam da?

Das hier ist New York. Da gibt es eben ein paar Bars, wo man sich sieht. Jedenfalls wurde Axl sehr unfreundlich und wollte mich schlagen, aber ich war schneller und habe ihn zuerst getroffen.

Mr. Hilfiger, Sie gelten als der König des Mainstreams, Ihre Mode ist nie wirklich avantgardistisch. Sind Sie vielleicht heute so etwas wie ein heimlicher Rebell?

Jeder Mensch hat doch verschiedene Seiten.

1969 war auch das Jahr der Mondlandung. Was empfanden Sie, als Sie sahen, wie dort oben das Sternenbanner entrollt wurde?

Stolz. Ich war sehr stolz auf Amerika.

Trotz des Vietnamkriegs.

Man kann doch stolz auf eine Seite sein und sich für die andere schämen.

Wie viel Patriotismus steckt in Ihrer Vorliebe für Rot, Weiß und Blau?

Ich habe eine Vorliebe für alles Nautische. Meine Farben kommen aus dem Flaggenalphabet. Mit der Fahne der USA hat das nichts zu tun. In meiner aktuellen Kollektion gibt es auch wieder eine Nautic Line.

Sie tragen ein blaues Jackett zum weißen Hemd, das hat etwas Maritimes. In welchem Hafen liegt Ihr Boot?

Ich fahre gern Motoryacht, aber wenn ich das tun will, dann chartere ich eine.

Als Sie 1985 begannen, was machte Ihre Kollektion eigentlich so speziell?

Ich glaube, meine Sachen waren klassisch, aber entspannt, casual mit einem neuen Dreh. Die Stoffe, die Schnitte, die Waschung, das war alles einen Tick anders.

War dieser Casual-Look sozusagen das Erbe der Sixties?

Ja, das war ein Ausbruch. Viele neue US-Firmen sagten plötzlich: Vergesst die Krawatten, macht es euch bequem! Inzwischen hat sich Casual weltweit durchgesetzt. Ob Sie in Frankfurt sind, in Delhi oder in Paris, die Leute kleiden sich ähnlich. Und es gibt allenfalls graduelle Unterschiede, dass die Deutschen vielleicht immer noch gedecktere Farben bevorzugen und die Spanier leuchtendere.

Mir ist immer noch nicht der Unterschied zwischen Ihrem Style und dem von Ralph Lauren klar.

Ralph Lauren ist eher englisch, meine Sachen sind cool American Classic.

Ralph Lauren steht eher für Klassenbewusstsein.

Könnte man so sehen. Ich dagegen möchte, dass alle Leute meine Sachen tragen. Mit George Lois habe ich ein Buch über amerikanische Ikonen gemacht. Da sehen Sie, wer mich inspiriert hat: Miami, Bruce Springsteen, die alten Tankstellenuniformen.

Sie haben selber als Jugendlicher an der Tankstelle gearbeitet. Trugen Sie da solch einen Dress?

Ja, da war ich 16 und trug eine weiße Uniform mit grünen Aufschlägen.

Wie viele Jeans haben Sie in Ihrem Schrank?

Vier. Ich hatte mal über 100, aber kürzlich habe ich ausgemistet. Kein Mensch braucht über 100 Jeans.

Das macht die Sache morgens einfach für Sie.

Stimmt, ich habe heute früh bestimmt nicht länger als fünf Minuten gebraucht, mich anzuziehen. Ich gucke bloß, was nehme ich: Jeans oder Chinos.

Der englische Designer Paul Smith sagt, der größte Fehler, den man machen kann, ist, sich nicht altersgerecht anzuziehen. Was finden Sie peinlich?

Zu übertreiben. Sie dürfen nie übertreiben! Leute, die versuchen, zu modisch auszusehen, kriegen schnell etwas Albernes: zu viel Schmuck, zu viel Make-up, zu viel Parfüm, einen Designer von Kopf bis Fuß tragen. Nicht alle meine Sachen haben ein Logo auf der Außenseite.

Ist Geschmack eine Frage der Kombination?

Geschmack ist eine Frage des Stils: Manche Leute haben ein großes Geschick darin, die richtigen Sachen miteinander zu kombinieren, so dass ein eigener Stil daraus wird – und manche eben nicht. Das Schwierige ist, Stil kann man nicht kaufen.

Wer ist denn ein gutes Beispiel für Stil? Barack Obama vielleicht?

Der hat schon einen guten klassischen Stil. Aber wen ich wirklich vorbildlich finde, ist George Clooney, der ist immer gut gestylt.

Ich dachte, Sie wären ein großer Anhänger von Barack Obama, modisch wie politisch. Gilt das nicht mehr?

Ich habe ihn ziemlich unterstützt, das stimmt. Aber im Moment möchte ich mich da nicht festlegen. Sagen wir mal so, die Jury in mir hat ihr Urteil noch nicht gesprochen. Fragen Sie mich in einem Jahr noch mal.

Unter Präsident Bush waren die USA international ziemlich unpopulär. Das hat sich inzwischen geändert. Ist das ein Vorteil für einen amerikanischen Modedesigner?

Mode ist Teil der Popkultur, und die war am Ende immer stärker als die Politik. Die war doch auch dann im Ausland gefragt, als unser Ansehen auf dem Tiefpunkt war. Insofern freue ich mich zwar, wenn die USA heute beliebter sind. Doch für den Erfolg von Tommy Hilfiger in der Welt ist das nicht so wichtig.

Wir sprachen über die Qualität Ihrer Kollektion, sie nannten den Schnitt und die Stoffe. Das sagt noch nichts darüber aus, unter welchen Bedingungen eine Hose oder ein Hemd hergestellt wurden.

Oh, das ist mir sehr wichtig. Unsere Firma hat da ganz eindeutige Standards, die zählen zu den höchsten der Welt. Es ist uns wichtig, dass die Leute unter fairen Bedingungen arbeiten und fair bezahlt werden.

Wo werden Ihre Sachen heute hergestellt?

Praktisch überall auf der Welt, aber wir achten darauf, dass unsere ethischen, sozialen und finanziellen Standards überall eingehalten werden.

Richtig groß wurde Ihre Marke in den 90ern, als die Hip-Hopper Ihren College-Chic entdeckten. Aber dann machten Leute wie P. Diddy ihre eigenen Sachen. Und Ihre konservative Klientel wollte nicht mehr rumlaufen wie die Ghettokids. War das ein Fehler, dass Sie damals jedem gefallen wollten?

Nicht immer sind Sie derjenige, der den Trend macht. Manchmal reißt Sie der Trend mit, das können Sie gar nicht kontrollieren. Und in den 90ern haben wir das nicht mehr kontrollieren können. Aber wir sind trotzdem bei unserer Linie geblieben, haben uns ja nicht verbogen.

Mr. Hilfiger, Sie haben, was Mode angeht, viel gesehen: die Hosen mal mit Schlag, mal eng, die Ärmel mal aufgekrempelt, mal nicht. Sind Sie irgendwann mal erschrocken, als eine Mode wiederkam, von der Sie hofften, Sie würden sie nie mehr wiedersehen?

Es kommt alles wieder, wenn auch nicht als Kopie, da gibt es immer einen Designer, der noch etwas dazutut. Deshalb ist es vergebens, die alten Sachen aufzuheben und darauf zu warten, dass sie wieder modern werden. Ich mochte die Mode der 50er nicht, dieses Förmliche ist nicht cool.

Haben Sie sich jemals vorgestellt, Sie hätten auf Ihren Vater gehört und eine andere Laufbahn eingeschlagen?

Mathematiker! Ich hätte gern etwas erfunden, den iPod zum Beispiel. Leute, die das können, die sind doch wirklich genial. Oder Schauspieler …

Moment! Sie haben doch einmal eine kleine Rolle gespielt, als Designer in „Zoolander“, ein Film von und mit Ben Stiller, der die Modebranche veralbert. Finden Sie, dass der Modezirkus zum Lachen ist?

Na klar, viele Leute nehmen Mode viel zu ernst!

Eines noch: Sie haben fünf Kinder und sind zum zweiten Mal verheiratet. Das ist wenig, wenn man bedenkt, dass Sie den ganzen Tag von hübschen Models umgeben sind.

Also bitte, ich habe eine 24 Jahre alte Tochter, ich werde mich doch nicht mit jemandem einlassen, der jünger ist als sie!

Interview: Andreas Austilat

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