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Kultur: Mann und Grass - "Buddenbrooks" und "Blechtrommel"

"Der Augenblick zu danken ist nun auch für mich gekommen, ein ersehnter Augenblick, ich brauche es nicht zu sagen." Er sagte es denn doch, Thomas Mann, 1929 vor der Stockholmer Nobelpreis-Akademie.

"Der Augenblick zu danken ist nun auch für mich gekommen, ein ersehnter Augenblick, ich brauche es nicht zu sagen." Er sagte es denn doch, Thomas Mann, 1929 vor der Stockholmer Nobelpreis-Akademie. Da hatte er fünf Jahre zuvor schon den "Zauberberg", sein Meisterwerk, veröffentlicht. Aber die Hohe Akademie verlieh dem damals Vierundfünfzigjährigen ihren noblen Preis für sein Romandebüt zum Anfang des Jahrhunderts, für die "Buddenbrooks".

Günter Grass hat der "ersehnte Augenblick" nun genau 70 Jahre später als fast Zweiundsiebzigjährigen ereilt - und auch er wird für seinen Anfang geehrt: für die 1959, vor vier Jahrzehnten und vielen folgenden Büchern, publizierte "Blechtrommel". Und wieder trifft der "Knalleffekt, der da vom Norden her . . . hineinschmetterte" einen gebürtigen Anrainer der Ostsee: nach dem Lübecker mit dem Epos der Hansestadt den Danziger, der seinen Zwergbuben Oskar Matzerath die Blechtrommel zum Auftakt der alsbald mit einer "Katz und Maus"-Novelle und dem "Hundejahre"-Roman vollendeten "Trilogie" der deutsch-polnischen Hafenstadt schlagen ließ.

Auch Grass spürt gewiss diesen einzigen Dorn im goldenen Lorbeer: dass die Auszeichnung dem Frühwerk, dem Debütanten gilt, verleiht dem längst Weltberühmten den Hauch auch des "ewigen" Anfängers, des spät geehrten Frühvollendeten. Der Verdacht, hier habe einer seinen Geniestreich als Erzähler schon mit dem ersten Streich geführt, begleitet den Schriftsteller - der einst auch fabelhafte Gedichte schrieb - eine geraume Weile. Er selbst erklärt sich das vor allem als Verdächtigung einer deutschen und missgünstigen Kritikerschaft. Nun auch aus Stockholm derart emphatisch an "Die Blechtrommel" erinnert, wird Grass im Augenblick des Dankes womöglich auch die sanfte Macht der Ironie beschwören müssen. Thomas Mann jedenfalls hat vor 70 Jahren in seiner Nobelpreisrede ein Exempel statuiert. Mit vollendeten Manieren demonstrierte er eine Mischung aus geschmeicheltem Geehrtsein und geschmeidiger Gekränktheit darüber, dass die Auszeichnung zwar spät gekommen, aber wenigstens den Richtigen getroffen habe. Man fühle sich von jener "Donnergewalt der Ehrung" aufgerührt und zugleich behelligt wie ein Sinnender im goetheschen Liebesgedicht: Cupido, du "hast mir mein Gerät verstellt", zitiert Mann. Sehr mehrdeutig. Worauf noch einmal Goethe folgt, doch diesmal eindeutig: "Nur die Lumpe sind bescheiden." Alas!

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