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Kultur: Mark Lammert sucht das Menschenbild

Wenn man einen berühmten Ahnen hat, muß man es sich gefallen lassen, an ihm gemessen zu werden.Im Falle von Mark Lammert handelt es sich um seinen Großvater, den Bildhauer Will Lammert, Nationalpreisträger der DDR, 1957 posthum geehrt und bekannt als Plastiker eines "humanistischen" Ideals aus dem Geist des sozialistischen Antifaschismus.

Wenn man einen berühmten Ahnen hat, muß man es sich gefallen lassen, an ihm gemessen zu werden.Im Falle von Mark Lammert handelt es sich um seinen Großvater, den Bildhauer Will Lammert, Nationalpreisträger der DDR, 1957 posthum geehrt und bekannt als Plastiker eines "humanistischen" Ideals aus dem Geist des sozialistischen Antifaschismus.Mark Lammert aber wehrt ab.Er möchte nicht darüber reden, hat offenbar Bedenken, in eine östliche Ecke gedrängt zu werden.

Und doch: Der Großvater liefert noch heute ganz praktische Vorteile.Wir sitzen in seinem ehemaligen Atelier, einem Häuschen im Garten seines Eigenheims in Niederschönhausen.Für DDR-Verhältnisse ein geradezu bourgeoises Ambiente.Der Bezug zur Großväter-Generation scheint dann doch nicht so abwegig, denn in seiner eigenen fühlt Lammert sich eher als Außenseiter.In den Achtzigern, als er noch an der Kunsthochschule in Weißensee studierte, sehen seine Zeichnungen verflixt nach Käthe Kollwitz aus oder lassen an Lea Grundig denken.Lammert malte und zeichnete damals figürlich, eigentlich nichts besonderes in der DDR, aber - so Lammert - seine Kollegen ähnelten malerisch mehr den jungen Wilden im Westen.Überhaupt sei die Nähe Ost-Berlins zum Westteil der Stadt prägender gewesen als etwa der Einfluß der Leipziger Schule.

Malen ist für Lammert ein Elementarbedürfnis.Malen, das bedeutet für ihn das Abenteuer Farbe.Im Laufe der Zeit wurden dabei die figürlichen Motive immer weiter verknappt.Letztlich blieben nur noch Ahnungen an den figürlichen Ursprung in der Beziehung der farbigen Torsi zum Grund aus getöntem Weiß, das Ergebnis von bis zu 20 Malschichten.Die Leinwände und Holztafeln haben schon deshalb viel mit Ikonen gemein.Lammert, der nie etwas anderes als Maler werden wollte, behauptet mit Stolz, daß er das Handwerkliche an der Malerei wirklich beherrsche.

1989 bis 1992 war er Meisterschüler an der Akademie der Künste.Ein Glücksfall: Aus seinem Atelier im alten Akademiegebäude am Pariser Platz hatte er einen Logenplatz auf die deutsche Geschichte mit dem Fall der Mauer.Es war eine bewegte Zeit, vor allem auch durch Lammerts enge Beziehung zu Heiner Müller.Mit ihm erarbeitete er Bühnenräume für die Müller-Inszenierungen "Fatzer", "Philoktet" und "Germania 3" am Berliner Ensemble, die mit wenigen farbigen Flächen auskamen und das Theater als Raum neu interpretierten.Müller war damals schon sehr krank.Der Gedankenaustausch spielte sich im Medium dicker Arbeitsbücher ab, in denen Lammerts Entwürfe mit den Ideen des Dichter-Regisseurs zusammentrafen.

Eines dieser Bücher war kürzlich aus Anlaß der Vorstellung des Heiner-Müller-Archivs in der Akademie der Künste zu sehen.Müllers Inszenierung von "Germania 3" kam dann durch den Tod des Autors nicht zustande.Lammert erfüllte danach seinem Freund einen letzten Wunsch und zeichnete die Leiche noch einmal in der Pathologie: Fast verschwindende zarte Strichgebilde sind es geworden, die Lammert in seinem Atelier aufbewahrt.Eine Hommage an die Großvätergeneration, zu der auch Stephan Hermlin und Fritz Cremer gehören.Auch ihnen nahm Lammert schon ihr Konterfei ab.

Hier wie in seiner Malerei ging es Lammert um eine Versicherung von Geschichtlichkeit - als Ausdruck einer Generation, die an der Gestaltung eines Menschenbildes arbeitet.Nun aber, fern der (sozialistischen) Utopie, bleibt durch die souveräne Beherrschung der malerischen Mittel nur etwas Elementares an Lammerts Rümpfen und Torsi übrig.Hier geht es um die Beziehungen vom Körper zum Grund, von der Farbe zum Raum, von Farbe zu sich selbst.Es bleibt von der Figur die Wunde und die Erfahrung, mit den Mitteln der Malerei daran zu rühren.Lammerts Bilder vergegenwärtigen den Verlust des Heilen und Ganzen des "Humanistischen", das sich in der Kunst (zumal in der DDR) durch die Figur vermittelte.Immer wieder neu forscht Lammert an ihren Überbleibsel.

In diesem Sinne sind Lammerts Bilder auch Versuche über die Darstellbarkeit des verschwindenden Menschenbildes in der Kunst, so auch bei seiner letzten großen Serie, an der er über anderthalb Jahre gearbeitet hat.In der Akademie der Künste, die Mark Lammert heute den Käthe-Kollwitz-Preis 1999 "für sein bisheriges Werk" verleiht, sind die 110, ungefähr DIN A 4 großen Bilder jetzt zu sehen.

Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, bis 9.Mai; Montag 13-19 Uhr, Dienstag bis Sonntag 10-19 Uhr.Katalog (voraussichtlich) 10 Mark.

RONALD BERG

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