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Kultur: Materialmix mit weißem Gold

Neu inszeniert: Dresdens Porzellansammlung

Luxus macht erst jenseits von Vernunft richtig Spaß. Echter Luxus beginnt dort, wo rationale Argumente kapituliert haben. Eine der luxuriösesten Epochen der Geschichte war das Barockzeitalter. Damals gaben die meisten europäischen Fürsten bedeutend mehr Geld aus als sie besaßen. Ein Meister der Verschwendung war der sächsische Kurfürst und polnische König August der Starke. Von seinem Hang zur Prachtentfaltung zehrt Dresden bis heute. In einer seiner Luxuslaunen erkannte August selbst eine Krankheit: Die Maladie de Porcelaine, die Sucht nach Porzellan, schlug ihn wie keinen anderen europäischen Herrscher in ihren Bann. Die unter August in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts aufgebaute Porzellansammlung war die größte und bedeutendste des Westens. Bis heute: Rund 20 000 Stück an chinesischen, japanischen und frühen Meißener Porzellanen zählt sie noch immer. Bestimmt waren solche Unmengen für das Japanische Palais am Neustädter Elbufer. Den Plan, dort ein Schloss für das „weiße Gold“ einzurichten, verhinderte bald nach Augusts Tod 1733 die Staatsverschuldung.

Durch Plünderungen und Zerstörungen kaum beeinträchtigt, zog die Sammlung 1962 in den wiederaufgebauten Zwinger. Ab 1998 wurden die Räume der einstigen Orangerie renoviert. Nun ist mit der Ostasien-Galerie ein neuer Ausstellungssaal hinzugekommen, einen Monat nach Eröffnung des Historischen Grünen Gewölbes vis-à-vis im Residenzschloss. Mit den beiden Neuzugängen läuten die Dresdner Museen ein neues Zeitalter ein.

Für die Gestaltung der nördlichen Bogengalerie hat Martin Roth, Generaldirektor der Dresdner Kunstsammlungen, den New Yorker Architekten Peter Marino gewinnen können. Marino ist ein weltweit gesuchter Spezialist für Society- und Business-Architektur. Für Louis Vuitton, Fendi, Chanel baute er Flagship Stores. Wer Edelklamotten animierend in Szene setzen kann, so Roth, müsste das auch mit kostbarem Porzellan hinbekommen.

Roths Kalkül ist aufgegangen: Marino kreuzt minimalistische Gegenwart mit der Opulenz der Barockzeit – zu einem über 1000 Porzellane aufnehmenden Gesamtkunstwerk. Als Gestaltungsgrundlage diente ihm der Entwurf einer Saaldekoration, den Zacharias Longuelune 1735 für das Japanische Palais gezeichnet hat. Über und über sollten dort die Wände mit Porzellanen bedeckt sein, aufgestellt auf Wandkonsolen, eingepasst in eine rahmende Pilasterarchitektur. All das hat Marino nun nachempfunden.

Marino inszeniert drei verschiedene Varianten für die zwischen Sandsteinsäulen gespannten Wandfelder in der Zwinger-Galerie. Und nimmt damit harte, gänzlich unhistorische Brüche in Kauf. Dem Longuelune-Entwurf am nächsten kommen mit goldbraunem Seidendamast bespannte Wandfelder, vor denen blauweißes chinesisches Porzellan der Kangxi-Periode (um 1700) ohne störende Glasstürze präsentiert wird. Die zeitgleich entstandenen, mit farbigen Miniaturgemälden geschmückten japanischen Imari-Porzellane stehen auf barocken Konsoltischen vor glatten Flächen, die entweder seidenmatt in Anthrazit oder, hochglänzend wie ein ostasiatisches Lacktablett, in Eisenrot gehalten sind.

Wer die sonst üblichen kargen Präsentationen hinter Panzerglas kennt, wie sie auch Ulrich Pietsch, der Direktor der Dresdner Porzellansammlung, bisher bevorzugt hat, den trifft Marinos Stil- und Materialmix wie ein Kulturschock. Pietsch hat sich vom anfänglichen Skeptiker zum vorbehaltlosen Fan gewandelt. Marinos unbekümmert historisierende Gestaltung solle, betonen Roth und Pietsch einträchtig, zum Leitbild einer neuen Dresdner Museumskultur werden. Luxus verpflichtet.

Dresden, Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Informationen unter www.skd-dresden.de

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