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Kultur: Matisse macht’s

KLASSIK (1)

Während nebenan in der Neuen Nationalgalerie 200 Meisterwerke das Spektrum der Klassischen Moderne spiegeln, genügen beim Konzert der Philharmoniker zur Eröffnung der MoMA-Schau zwei Werke, um die musikalische Vielfalt des 20. Jahrhunderts anzudeuten. Zu Ravels „Daphnis und Chloe“ schiebt sich in der Philharmonie mit Matisses „Tanz“ sofort ein MoMA-Highlight vors innere Auge, auch weil Simon Rattle die Ballettpartitur ganz aus dem Geist einer entfesselten Farbigkeit heraus dirigiert.

Ravel selbst hatte sich von den grazilen Schäferbildern des Rokoko inspirieren lassen, doch deren stilisierte Anmut weicht bei Rattle einer gestischen Vitalität, die die einzelnen Handlungsepisoden klar hervortreten lässt. Für Rattle ist „Daphnis“ (das am Montag in der Arena Treptow auch als Tanzprojekt der Philharmoniker mit Berliner Schulen aufgeführt wird) nur einen Fußbreit vom kurz zuvor entstandenen „Sacre“ entfernt und Ravels Gegenentwurf einer archaischen Gesellschaft nicht weniger lustvoll und triebhaft als Strawinskys Musik. Zudem geht Rattles Strategie, sein Orchester zu einer Truppe erstklassiger Solisten zu machen, an diesem Abend auf: Vor allem die Holzbläser um den begnadeten Soloflötisten Emmanuel Pahud erfüllen das sinfonische Fresko mit einer anmutigen, tänzerischen Phrasierung.

Gegen diesen Höhepunkt nimmt sich John Adams’ 1997 uraufgeführtes Klavierkonzert ähnlich aus wie eine Jeff-Koons-Plastik gegenüber einem Matisse: Die Ausdrucksgesten sind vergröbert, die Vitalität zur Knalligkeit verstärkt. Eine Portion trockener Witz seitens des Interpreten könnte helfen, doch den zeigt Emanuel Ax am Klavier nicht. Es kann schließlich nicht nur Meisterwerke geben.

Jörg Königsdorf

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