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Drew Daniel und Martin Schmidt sind Matmos.

© Josh Sisk

Matmos live in Berlin: Der Groove des Schleudergangs

Das Duo Matmos hat sein Album „Ultimate Care II“ komplett aus den Geräuschen einer Waschmaschine generiert. Beim Konzert im Berghain war sie mit dabei - und rumpelte sehr überzeugend.

Die Waschmaschine ist ja ein Wunderkasten. Aber keiner weiß, wie das Ding tatsächlich funktioniert – mit Zirkulationspumpe und Schläuchen oder so. Ein Musikinstrument ist sie jedenfalls nicht, auch wenn sie nachweislich über eine Trommel verfügt. Andererseits wissen wir seit den italienischen Futuristen und John Cage, dass sowieso alles Musik ist und die Leute meinen ja manchmal, sie müssten die ausgezwinkersten Sachen gut finden. Auf Youtube gibt es sogar Videos von Waschmaschinen, die auf Rollschuhen tanzen!

Zudem hat Schlagzeuger Charles Hayward schon vor 20 Jahren mit Michael Prime, der sonst Pflanzen mit Biofeedback zum Singen bringt, die Klänge einer Waschmaschine zum musikalischen Dialog genutzt. Eigentlich war es da nur eine Frage der Zeit, bis auch Matmos das Gerät als Klangkörper für sich entdeckten. Ungewöhnliche Soundquellen sind ja nichts Neues für das Tüftel-Paar aus Baltimore, das uns seit 1995 mit bizarren Klängen wie dem Zwitschern von chirurgischen Instrumenten, dem Umblättern von Bibelseiten oder auf Metall klatschende Spermatropfen erfreut.

Die Whirlpool Ultimate Care II ist die Hauptdarstellerin des Abends

Nun haben Matmos mit „Ultimate Care II“ ein Album veröffentlicht, das ausschließlich auf den Geräuschen ihrer geliebten Whirlpool Ultimate Care II basiert: Keine Weichspülmusik im Schonwaschgang, sondern ein wie aus einem feuchten Keller heraufhallendes Elektro-Geklapper, das dem Publikum bei der Live-Präsentation im Berghain kräftig die Ohren durchspült.

Los geht’s mit dem Knarren des Drehknopfs beim Einstellen des Waschgangs, gefolgt vom Rauschen des einfließenden Wassers. Es rumpelt dumpf und geheimnisvoll aus dem weißen Blechkasten, der als Hauptdarsteller auf der Bühne steht – vor einer Abfalltonne, aus der Wasser in die Maschine gepumpt wird. M. C. Schmidt, der im weißen Hemd mit Schlips aussieht wie ein Waschmaschinen-Fachverkäufer, drückt daneben in die Keyboardtasten oder fummelt konzentriert an der Maschine herum, wobei er von einem Assistenten unterstützt wird.

Drew Daniel manipuliert derweil die gesampelten Sounds am Laptop und spült die Echokammer durch, bis sich das Ganze anhört wie ein sterbender Planet, der untergehend die seltsamsten Geräusche von sich gibt: Ein bewegtes Schleifen, lustiges Quietschen und metallisches Rattern mit zerbeulten Rhythmen und kurzen Spülstopps, bei denen auch Bier in die Maschine gekippt wird.

Das Vibrieren des Schleudergangs fährt direkt in die Glieder

Es gibt Passagen, die zum Wegdriften einladen und die kontemplative Wirkung eines plätschernden Bächleins verströmen, während das Vibrieren des Schleudergangs einen Groove erzeugt, der direkt in die Glieder fährt. Er wird vom Klopfen auf das Blechgehäuse verstärkt, das mitunter an das Industrial-Geklöppel der Einstürzenden Neubauten erinnert, jedoch ohne jeglichen Hang zu gewollter Kakophonie. Gerade die aufmerksame Zurückgenommenheit und der gezielte Einsatz nach Waschgangvorlage schafft das Besondere dieser Musik, die trotz ihrer konzeptuellen Strenge mit ihrer zyklischen Kleinteilrhythmik immer auch dem tanzbaren Click-&-Cut-Sound aus dem Techno verbunden bleibt. Beim euphorischen Finale rollen ganze Rauschbündel in Wellen an, bevor einer der gelungensten Matmos-Streiche nach 45 Minuten endet. Saubere Sache.

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