zum Hauptinhalt
Matthew Halsall und das Gondwana Orchester beim X-Jazz Festival in Kreuzberg.

© Simon Hunt

Matthew Halsall beim XJazz-Festival: Eine improvisatorische Himmelfahrt

Beflügelt, tief beseelt und mystisch: Der DJ, Produzent und Labelmacher Matthew Halsall und das Gondwana Orchestra beim XJazz-Festival in Kreuzberg.

Jazz soll ja diese Musik sein, die komisch riecht oder schon tot ist. Dabei hat sie im Pop eine ganz ordentliche Reputation, und seit einiger Zeit gibt es immer mehr Clubgänger, die von Miles oder Coltrane schwärmen und zu Monk oder Mingus swingen. Nun sind diese Herren nicht erst seit gestern tot und der Weg in den Jazz-Underground mühsam und verwirrend. Aber dafür gibt es hilfreiche Veranstaltungen wie das Kreuzberger XJazz- Festival, das zum dritten Mal seit 2014 mit tollem Programm dafür sorgt, das die neue, spürbare Begeisterung für Jazzmusik lebendig bleibt.

Ein Höhepunkt ist in diesem Jahr der Auftritt von Matthew Halsall aus Manchester. Seit Jahren begeistert der 32-jährige Trompeter, der auch als DJ, Produzent und Labelmacher tätig ist, mit einer Musik, die im spirituellen Sound der 60er und frühen 70er verwurzelt ist, dabei aber auf Free-Jazz-Passagen verzichtet und energetischer Kraftmeierei die Intensität lyrischer Synthese entgegensetzt. Inspiriert vor allem vom Schaffen Alice Coltranes mischt er mit seinem Gondwana Orchestra meditativ dahinschwebende Jazzfiguren mit fernöstlichen Einsprengseln und blitzgescheiten kammermusikalischen Arrangements zu fein gestrickten Klangteppichen.

Dass Buddhismus und transzendentale Meditation Schlüsselelemente in Halsalls Leben und Musik sind, zeigt sich auch beim Auftritt in der proppevollen Emmauskirche, wenn der Bandleader mit seinem sechsköpfigen Ensemble in entspannter Konzentration einen hermetischen Raum zum Wegdriften aufklappt. Weit ausgreifende Melodielinien von Klavier, Harfe, Sopransaxofon oder Flöte werden von famos gebürsteten Trommelwirbeln begleitet und mit eingängigen Bassfiguren geerdet. Halsalls bläst auf der Trompete lange, kühle Linien, die er manchmal in einem Schwall zischender Elektronik absaufen lässt. Inmitten im Set kommt noch Josephine Oniyama hinzu, die auch auf dem aktuellen Album „Into Forever“ mitgewirkt hat. Mit ihrer durchdringenden Gospelstimme, die eine schwüle 70ies-Soul-Dramatik verströmt, hebt sie den spirituellen Brennstoff noch höher und nimmt der improvisatorischen Himmelfahrt letzte Bodenhaftung. Was für eine erhebende, frei schwebende und gleichermaßen zupackende, tief beseelte Musik! Nach 80 Minuten kommt als Zugabe das exotische „Sagano Bamboo Forest“, bei dem Halsall mit einem innigen Solo auf der gestopften Trompete für glückliche, erfüllte Gesichter in der Kirche sorgt. Halleluja! Gefangen sind wir von einer Musik, die erhaben genug ist, um noch beim frommsten Atheisten die Seele zum Schwingen zu bringen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false