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Der kroatische Countertenor Max Emanuel Cencic

© Anna Hoffmann

Max Emanuel Cencic im Konzerthaus: Feuer und Abkühlung

Anfangs ist alles mühsam errungen, gegen Ende des Abends ereignet sich ein kleiner Durchbruch: Max Emanuel Cencic singt im Konzerthaus Arien von Mozart und Rossini.

Ein Abend für Liebhaber. Wer Countertenöre verehrt, wer sich gerne von knabenhaft-engelsgleichen Stimmen entrücken lässt, ist bei Max Emanuel Cencic falsch. Ein äußerst irdischer Sopran erklingt da im Kleinen Saal des Konzerthauses, mit allen vokalen Dellen und Schrammen, die ein Leben so mit sich bringt, das nicht auf Wolken geführt wird.

Der Kroate interpretiert Arien zweier Komponisten, die wahrlich für Stimme schreiben konnten und von denen einer selbst als Knabe fabelhaft gesungen haben soll: Mozart und Rossini. Viele ernste Sachen aus „Mitridate, re di Ponte“, „Ascanio in Alba“, „La donna del lago“, „Tancredi“. Es geht um Könige, Krieger, Stammesfürsten, Göttinnen – und immer wieder, natürlich, um verhinderte Liebe. Cencics Stimme zeigt sich an diesem Abend flackerig, wie granuliert. Man kann es auch freundlicher sagen: Sie ist polychrom. In jedem Augenblick, jeder Lage nimmt sie eine andere Färbung an, mit überraschenden Ausbrüchen an Temperament und Dynamik in der Höhe. Die herzzerreißenden Augenblicke bangen Wartens, ob die Stimmbänder überhaupt ansprechen, gehören mit dazu. Nichts fließt hier frei und selbstverständlich, alles ist errungen.

Vor Transparenz fröstelnd

Im krassen Kontrast dazu die Pianistin Megumi Otsuka, deren Steinway nur halb geöffnet ist, um Cencic nicht völlig zuzudecken. Bei ihr schnurrt alles mit metallischem Anschlag und gleichbleibendem Impuls ab wie eine Spieluhr. Poetische Gefühle scheinen Otsukas Sache nicht zu sein, weder im ersten Satz aus Mozarts Klaviersonate C-Dur KV 545 noch bei Chopin, der ja auf seine Weise genauso gesanglich komponiert hat wie Mozart und Rossini, nur eben für „seine“ Liebe, und das war bekanntlich das Klavier. Sehr eindeutig und ausbuchstabiert, frei von Eros, vor Transparenz fröstelnd spielt Otsuka die dritte Nocturne aus op. 9 und den kurzen zweiten Walzer aus op. 64.

Als Duo aber funktionieren Cencic und Otsuka gut, weil sie sich ergänzen: Wo der eine echtes Drama und glaubhaft anrührende Gebrochenheit liefert, steuert die andere die nüchterne, unerlässliche Stütze bei. Feuer und Abkühlung, Dionysos und Apollo, Nietzsche lässt grüßen.

Da singt sich jemand frei

Zum Ende hin ereignet sich sogar noch ein Durchbruch bei Cencic. So homogen, warm und intensiv wie in Tancredis Arie „O patria“ hat er den ganzen Abend nicht gesungen. Und jetzt kann er – Zufall? – auch seinem Publikum direkt in die Augen schauen, während er zuvor die Lider meist zudrücken musste, wegen einer Migräne, wie er sagt.

Und dann erst die Zugaben, eine Arie aus Donizettis „Lucrezia Borgia“ und Orlofskys Hit „Ich lade gern mir Gäste ein“ aus Strauß’ „Fledermaus“: Da singt sich jemand frei, vokal schlank und regelrecht athletisch. Es ist, als hätten die Seria- Arien eine Last für Cencic bedeutet, die er jetzt abwirft.

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