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Max Liebermanns Liebe zum Grünen: Geometrie und Wildwuchs

Bloß keine Symmetrie: Der Maler Max Liebermann und seine Heckengärten sind jetzt in einer Ausstellung am Wannsee zu sehen..

Da ist sie wieder, die weiße Bank! Man kennt sie aus vielen Gartenbildern Max Liebermanns. Jetzt steht sie rekonstruiert im mittleren der drei geometrisch angelegten Heckengärten auf dem Wannseegrundstück des Malers und lädt zum Hinsetzen ein. Mehrere solcher weißgestrichenen Sitzgelegenheiten hatte Liebermann auf seinem Grundstück verteilt: wohlpositionierte Akzente im Raumkunstwerk Garten; Aussichtspunkte zur Betrachtung des gestalteten Grüns.

Endlich ist der Garten des Malers nun komplett, inklusive der Heckengärten, um deren Terrain jahrelang mit einem benachbarten Ruderclub erbittert gerungen wurde. Kulturstaatsministerin Monika Grütters eröffnet heute das vollendete Gartendenkmal, denn auch der Bund hat sich fiannziell an der Rekonstruktion beteiligt. Die Liebermann-Villa nutzt die Gelegenheit, in einer Sonderausstellung einmal genauer zu untersuchen, wie Liebermann seine Heckengärten als Malmotiv nutzte. Denn das tat er: 22 Grafiken, Pastelle und Gemälde versammelt die Schau.

Aus verschiedensten Blickwinkeln erkundete der Maler diesen besonderen Bereich seines Gartens. Mal lässt er die hellen Wege fast jugendstilhaft durchs Bild schwingen und fasst die dicht bepflanzten Blütenrabatten zu kompakten Farbflächen zusammen. Dann wieder beobachtet er, wie seine Enkelin Maria mit ihrer Kinderfrau den geschützten Heckenraum nutzt, ein Buch aufschlägt oder in einem Sandhaufen buddelt. Oder er macht das sonnendurchschienene Blattwerk zum Dschungel aus Pinselstrichen, eine grüne Farbimprovisation, fast chaotisch.

Liebermanns Bildregie hält gegen die klare Form: bloß keine Symmetrie!

Das Besondere an den von Liebermanns Gartenberater Alfred Lichtwark ersonnenen Heckengärten ist ihre streng geometrische Form. Rechtwinklig von dichten Hainbuchen-„Wänden“ umschlossen reihen sich die drei „grünen Kammern“ in perfekter Symmetrie. Der erste Heckengarten zeigt ein quadratisches Wegenetz, exakt wie ein Spielbrett, der zweite überrascht mit ovaler Struktur und üppigen Schmuckbeeten, der dritte zeigt sich verspielter mit einer umrankten Rosenlaube im Zentrum. Man wähnt sich fast in einem barocken Schlossgarten. Um 1900 jedoch war so ein formaler Garten topmodern. Die pseudo-natürlichen Landschaftsgärten englischen Stils hatte man einfach satt. Jetzt wollten die Gartengestalter die klare, gestaltete Form. Die gute alte Hecke kam da als Gestaltungsinstrument gerade recht: Mit ihr ließen sich grüne Wände errichten, Räume abgrenzen, gerade Achsen und Sichtschranken schaffen.

Liebermanns Bildregie hält dagegen: bloß keine Symmetrie! Zwar gefielen ihm die klaren Formen der Heckengärten. Aber er rückte seine Staffelei an dezentrale Standorte, schaffte mit diagonalen Kompositionen Spannung. Abrupt angeschnittene Beete, aus der Achse verschobene symmetrische Wege, malerisch im Unklaren gelassene Bereiche. Vielleicht reizte den Maler gerade das Mit- und Gegeneinander von strenger Form und freiwuchernder Vegetation. Die Zeitgenossen kauften diese Bilder gern: Als kluger Geschäftsmann wiederholte Liebermann bestimmte Motive mehrfach, fein und klein in Pastell oder großzügig in Öl. Auf einem schönen Pastell aus der Kunsthalle Bremen von 1920 deutete er den Blick von seiner geliebten Obstwiese in Richtung Heckenpartie nur duftig an. Ein großes Gemälde aus derselben Zeit zeigt fast dieselbe Perspektive. Nun jedoch ahmen saftige Pinselstriche die Struktur des sommergrünen Laubwerks nach.

Eines der Gartengemälde bekam der Landschaftsgestalter Albert Brodersen vom Hausherrn als Dankeschön geschenkt. Er hatte die Ideen und Pläne von Liebermann und Lichtwark Wirklichkeit werden lassen: in feinbestreuten Kieswegen, Hunderten von Hainbuchensetzlingen und ausdauernd blühenden Blumen. Auf dem Brodersen-Gemälde steht der große Kastanienbaum gerade in voller Blüte. Genau wie jetzt! Wie die weißen Blütenkerzen des mittlerweile betagten Baumveteranen duften und wie der Wind durch die Heckengärten streicht, das erfährt man im Freien. Diese Gelegenheit, den gemalten und den echten Garten im Zusammenspiel zu erleben, hat man nicht einmal in Monets Künstlergarten in Giverny. Dort fehlen die Originale.

Bis 31. 8., tgl. außer Di, 10–18 Uhr, Do u. So bis 19 Uhr; Katalog 96 S., 15 €

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