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Kultur: Mazedonien: Im Vorfeld

In diesem Sommer müssen die Abgeordneten des Bundestages damit rechnen, dass ihre Ferien sehr plötzlich unterbrochen werden. Womöglich schon im Juli müssen die Parlamentarier zu einer Sondersitzung nach Berlin reisen, um einen dringenden Beschluss zu fassen - die Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien.

Von Hans Monath

In diesem Sommer müssen die Abgeordneten des Bundestages damit rechnen, dass ihre Ferien sehr plötzlich unterbrochen werden. Womöglich schon im Juli müssen die Parlamentarier zu einer Sondersitzung nach Berlin reisen, um einen dringenden Beschluss zu fassen - die Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien.

Zwar wagen nach der Eskalation der Lage in Mazedonien Anfang der Woche nur wenige deutsche Außenpolitiker eine Prognose, ob die Voraussetzungen für die maximal 30 Tage dauernde Entwaffnung der UCK durch die Nato noch erfüllt werden können. Aber während etwa in Paris sich schon Stimmen über die deutschen Bedenken gegen einen Nato-Einsatz lustig machen, steht das Bundeskabinett grundsätzlich zu seiner Zusage.

Weil allerdings kein Kabinett deutsche Soldaten ohne die Zustimmung des Parlaments ins Ausland schicken darf, wird die Sondersitzung nötig. Diesem Ernstfall können Koalitionsstrategen nur mit gemischten Gefühlen entgegensehen. Denn nicht nur die Opposition von Union, FDP und PDS lehnt den Einsatz kategorisch ab. Auch in den Fraktionen von SPD und Grünen gibt es Bedenken, sodass die deutsche Beteiligung keinesfalls sicher wäre. "Ich sehe dafür keine Mehrheit im Bundestag", sagt etwa der Berliner Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele, der nicht als Einziger in seiner Fraktion gegen den Nato-Beschluss auftrat. Auch in der SPD-Fraktion hatten sich Skeptiker zu Wort gemeldet. Ströbele glaubt, dass der geplante 30-Tage-Einsatz zur Entwaffnung der Rebellen nur als Einstieg in ein längerfristiges Engagement dient.

Die Grünen fürchten zudem die Wirkung einer Zerreißprobe zwischen Militärgegnern und Realpolitikern mitten im Berliner Wahlkampf. Würde der Bundestag dem Einsatz zustimmen und damit Kritiker in den eigenen Reihen empören, warnt Christian Ströbele, so "wäre das ein verhängnisvolles Wahlkampfgeschenk für die PDS".

Die Opposition verweigert sich gänzlich: Die FDP will nur unter der Voraussetzung zustimmen, dass die UN ein Mandat erteilen - dafür gibt es keine Anzeichen. Und die Union hat neben inhaltlichen Einwänden eine wichtige Verknüpfung hergestellt: Sie will - wie auch bei künftigen Verlängerungen des Kosovo-Einsatzes - im Bundestag nur dann zustimmen, wenn die unterfinanzierte Bundeswehr mehr Geld erhält.

Der Koalition ist aber an einer breiten Mehrheit im Parlament gelegen - das Risiko für die deutschen Soldaten wäre hoch. Ein erstaunliches Zeichen setzte am Dienstag der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt. Eine Aufstockung des Verteidigungsetats, wie ihn die Union fordert, schloss er nicht aus. Den Druck der oppositionellen Verteidigungsexperten nannte der SPD-Politiker sogar "ganz normal und richtig". Gespräche mit Finanzminister Hans Eichel (SPD) über mehr Geld für Scharpings Etat sind laut Schmidt allerdings noch nicht geführt worden.

Bisher will die Nato nur Soldaten schicken, wenn die Konfliktparteien sich darauf einigen, dass die UCK die Waffen abgibt und gleichzeitig ein politischer Prozess mit dem Ziel eines Ausgleichs zwischen den Bevölkerungsgruppen beginnt. Die Entwicklung hin zu einer Übereinkunft, auf die die EU politisch drängt, ist nun zurückgeworfen. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen, rechnet aber damit, dass bis zum nächsten Monat doch eine Einigung gelingt, die Voraussetzungen für die Nato-Aktion im Juli erfüllt werden und der Bundestag dann beschließen muss.

Außenpolitiker der Opposition und auch viele der Koalition sind da skeptischer. Vorerst könnte der rot-grünen Koalition eine Zerreißprobe somit erspart bleiben, weil sie ohne Abstimmung Einsatz-Kritiker in den eigenen Reihen auch nicht disziplinieren muss. Dass sich manche da über die eigene Unschuld freuen, während Mazedonien auf einen Bürgerkrieg zutreibt, ärgert die Grünen-Außenpolitikerin Rita Griesshaber. Sie verweist darauf, dass mit den Nachschub-Einheiten der Kfor auch heute schon deutsche Soldaten in dem Krisenland stationiert sind: "Wer glaubt, er könne den Kopf in den Sand stecken, wenn die Lage eskaliert, ist schon ziemlich blauäugig."

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