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Bei seinen Konzerten wirft MC Fitti auch gerne mal Brauseflaschen in die Menge.

© picture alliance / dpa

MC Fitti in Berlin: Fun ist ein Stahlbad

MC Fitti ist eine der unwahrscheinlichsten Pop-Erfolgsgeschichten des laufenden Jahres. 2012 noch ein Internet-Phänomen mit Youtube-Hit, spielt der geborene Gifhorner mit dem Bart, der Mütze und der Sonnenbrille heute ganz oben im deutschen Pop mit. Mit einem Auftritt im Astra Kulturhaus in Berlin krönt er seine aktuelle Tournee.

Spaß, das dürfte jeder Anhänger des Kölner Karnevals bezeugen, ist erst dann so richtig lustig, wenn er einem so strengen Regelkatalog folgt, dass er zu einer ernsthaften Angelegenheit wird. Im Falle von MC Fitti ist das nicht viel anders. Spaß herrscht erst, wenn alle mitmachen. Also wirklich alle. Auch die da hinten. Bei Choreografien wie dem Reiten auf den Schultern eines anderen Besuchers. Beim „Arschbacken zusammenkneifen“. Beim Tanzen und Mitsingen. Und natürlich bei der optischen Inszenierung.

Als MC- Fitti-Fan trägt man entweder Sonnenbrille mit Neonrahmen, Kunstvollbart, Indianerschmuck oder eine MC-Fitti- Maske. Einige Anwesende halten aufgeblasene Flamingo-Figuren in die Luft. Oder man sieht aus wie ein Fan der Trash-Reality-Show „Berlin – Tag & Nacht“, also großflächig tätowiert und mit fragwürdigen Farbakzenten im Haar, ob ironisch gebrochen oder nicht, ist schwer auszumachen.

MC Fitti ist eine der unwahrscheinlichsten Pop-Erfolgsgeschichten des laufenden Jahres. Wo er 2012 noch ein Internet-Phänomen mit Youtube-Hit war („30 Grad“), spielt der geborene Gifhorner mit dem Bart, der Mütze und der Sonnenbrille heute ganz oben im deutschen Pop mit. Album Nummer zwei der Hitparaden, Dritter bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest, ausverkaufte Tour. Der Abend im Astra ist der letzte und vermutlich auch der größte Auftritt der Konzertreise. Und nach Berlin-Friedrichshain passt die Musik ganz gut. Denn so, wie sich Auswärtige vermutlich eine Nacht im Simon-Dach-Kiez vorstellen, so klingt der Abend mit MC Fitti auch. Da ist jedes erste Wort „Yolo“, jedes zweite „Alter“, jedes dritte „geil“ und jedes vierte „übelst“. Da wird von sozialen Netzwerken, von Flamingos, von Taxifahrten, von VW Golfs, von Nickerchen in der Bahn und natürlich von Girls gesungen – und ebenjene werfen dazu mit beiden Händen Konfetti in die Luft.

Interessant ist weniger die musikalische Inszenierung – Fitti, zwei andere Rapper, ein Mann an den Plattenspielern – als das Referenzfeld, dass MC Fitti aufspannt. Von Pornofilmdialog – der mit dem Stroh, den sich junge Menschen in den frühen Nullerjahren per E-Mail hin- und herschickten – über Ortsbeschreibungen aus der Hauptstadt bis zum ständigen Wiederholen einzelner Markennamen und zurück reicht das, im Prinzip ist jeder Song auf einen einfachen Claim, auf ein simples Bild reduzierbar.

Manchmal kommt man sich als Zuschauer vor wie auf der Weihnachtsfeier einer Werbeagentur, manchmal wie auf einer angedrufften Party im Spätkauf, manchmal wie in der Dorfdisco, wo die Atzen gemeinsame Sache mit DJ Ötzi machen. Aber stets herrscht Fun, Fun, Fun und im Übrigen entsprechender Betrieb an der Bar: Die MC-Fitti-Jugend, das lässt sich feststellen, ist sehr trinkfest. Ob dieser Radikalhedonismus ernst gemeint ist? Unmöglich zu erkennen. „Geiler Scheiß mit Reis, Alter“, sagt MC Fitti einmal und wirft mit seinen Kumpels Limo in die Menge, es ist schon das zweite Mal am Abend, beim ersten Mal dauerte es mehrere Minuten lang. „Das Zeug ist so lecker, Alter“, ruft er danach und erwähnt vorsichtshalber einige Male den Markennamen der Brause. Ein junger Mann, den eine Flasche blöd getroffen hat, reibt sich das Gesicht. Fun ist eben am Ende doch ein Stahlbad.

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