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Kultur: Meer, Himmel, Nacht

Viele Farben Blau: „Lucia und der Sex“, ein spanisches Roadmovie von Julio Medem

Von Esther Kogelboom

Julio Medem, der Regisseur von „Lucia und der Sex“, hat nach seinem abgebrochenen Medizinstudium zunächst als Filmkritiker gearbeitet. Was hätte er selbst über seinen Film geschrieben, wie dieses zwei Stunden und drei Minuten lange Werk ausgepresst und in ein paar Zeilen erklärt? Vielleicht hat es Medem gehasst, Filmkritiker zu sein, und womöglich begann er deshalb damit, sich selbst Geschichten auszudenken: große, verworrene, epische Geschichten, in deren Sog sich jeder verlieren würde, der es wagte, die Magie des Unausgesprochenen und Vagen zu erklären.

So ist jedenfalls sein Film „Lucía und der Sex“. Es gibt wunderschöne Bilder, unzählige Farbvarianten von Blau. Das Meer, die Grotte, der Himmel, die Nacht, der Mond. Und die Vergangenheit, die schwer wie ein Fels auf Lucía (Paz Vega) und Lorenzo (Tristán Ulloa) liegt. Die Kellnerin und der Schriftsteller – was zunächst wie eine ungewöhnliche, aber harmlose Romanze beginnt, verliert als Roadmovie schon bald seine scharfe Kontur, löst sich in einem unsystematischen Geflecht fiktionaler Ebenen und fügt sich erst am Ende wieder auf schmerzhafte Weise zusammen.

Dabei versteht es der spanische Regisseur auf meisterhafte Weise, Raum zu lassen für Geheimnisse, mythische Anklänge und zweideutige Signale zwischen Liebe, Tod und Verdrängtem - und manchmal scheint es so, als wäre das Kameraauge (Kamera: Kiko de la Rica) zu klein für das weiß-gleißende Licht, das die Figuren in den dünnen Kleidern und durchsichtigen Hemden so röntgenartig anstrahlt, als wären auch die Körper unter dem Stoff transparent.

Nur die Sexszenen sind so klar umrissen, dass sie fast klinisch-kühl wirken, unzweideutig wie auf dem Operationstisch. Wenn nur die Dialoge nicht wären, die streckenweise wirken, als hätte Julio Medem („Die Liebenden des Polarkreises“, „Vacas“, „Das rote Eichhörnchen“) sie aus einer Seifenoper abgeschrieben.

Die Sexszenen sind ohne Peinlichkeit fotografiert und entblößen die Figuren keineswegs. Diese Funktion übernehmen, zumindest streckenweise, die Gespräche. Ein Kunststück, weil die Schauspieler allesamt hervorragend sind, ganz besonders das Mädchen Silvia Llanos in der Rolle von Lorenzos kleiner Tochter Luna.

Broadway, Filmkunst 66, Filmtheater am Friedrichshain, Hackesche Höfe, Passage, York und New York (OmU)

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