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Kultur: Mehr als nur Imagepflege

Ludger Hünnekens, Leiter der Allianz Kulturstiftung, über die die Verantwortung von Stiftern und Sponsoren

Warum hält sich die Meinung, die Wirtschaft würde die Kunst instrumentalisieren, so hartnäckig?

Das frage ich mich auch. Zum Teil sind es die Medien selbst, die dieses Vorurteil nähren – oft, weil sie falsch informiert werden, aber leider auch, weil man sich schwer tut, von Klischees abzurücken. Tatsächlich aber ist das Wechselspiel zwischen Kunst und Wirtschaft inzwischen gleichwertig geworden, weil beide Seiten ihre jeweiligen Kompetenzen und Interessen anerkennen. Gerade aus der Verschiedenartigkeit von ökonomischen und künstlerischen Prozessen entstehen ja die spannendsten Kooperationen.

Was lernt die Wirtschaft von der Kunst?

Vor allem, sich mental auf andere Denkformen und gesellschaftskritische Impulse einzulassen. Doch es ist nicht so leicht, Innovationskraft in Unternehmensstrukturen zu integrieren. Die Kunst agiert dynamisch und vernetzt, sie ist global und multikulturell. Das sind komplexe Fähigkeiten, die auch für die Wirtschaft immer bedeutender werden. Es ist „Corporate Value“ im besten Sinn. Leider gibt es in den Unternehmen aber oft noch Hemmungen gegenüber der aktuellen Kunst.

Weshalb ist das so?

Menschen der Wirtschaft haben meistens wenig Erfahrung mit experimenteller Kunst. Es ist ja auch vertrauter, sich mit HighCulture-Aktivitäten zu beschäftigen, die den bewährten Mustern entsprechen. Andererseits wissen vorausschauende Unternehmer, dass sie für ihren wirtschaftlichen Erfolg mehr und mehr von der Anteilnahme der Öffentlichkeit abhängig sind. Doch diese gewinnen sie nur, wenn sie sich auch mit kritischen Positionen beschäftigen. Ohne intensive Vermittlungsarbeit für die Mitarbeiter geht das allerdings nicht.

Muss denn die große Masse die Avantgarde unbedingt verstehen?

Die Millionen, die der zweiten Staffel von „Deutschland sucht den Superstar" entgegenfieberten, vielleicht nicht. Es funktioniert wohl nicht, wenn man komplexe Kunstentwicklungen populär machen will. Essenziell finde ich es aber, dass so viele Menschen wie möglich lernen, Unterschiede anzuerkennen, auch Dinge, die man nicht versteht, zu akzeptieren. Toleranz gegenüber dem Fremden zum Beispiel kann man optimal mit Hilfe der Kunst trainieren.

Setzt die Allianz Kulturstiftung hier an?

Ja. Die Stiftung, die im Sommer 2000 gegründet wurde, beschäftigt sich mit Fragen, die abseits vom Mainstream liegen. Es gibt zwei prominent besetzte Gremien, einen Stiftungsrat aus Führungskräften der Allianz und ein externes Kuratorium aus Kulturexperten, das uns als Think Tank berät. Hier greift also der Dialog zwischen Wirtschaft und Kultur exemplarisch. Unser Hauptanliegen ist es, ein eigenständiges europäisches Kulturnetzwerk aufzubauen und so das Verständnis zwischen den Kulturen zu fördern. Mit kontroversen Projekten im Bereich der bildenden Kunst, der Literatur, von Film, Tanz, Architektur und neuer Musik wollen wir Diskussionsstoff liefern. Zuletzt haben wir zusammen mit der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden „Dissimile“ realisiert, ein Projekt, bei dem junge Künstler ihre Ideen für Europa vorgestellt haben.

Wie ist die Allianz Kulturstiftung finanziell ausgestattet?

Das Grundstockvermögen beträgt 51 Millionen Euro. Was wir ausgeben können, rekrutieren wir ausschließlich aus den Zinserträgen. Um das Vermögen auf Dauer zu erhalten, haben wir das Geld konservativ angelegt. Zur Zeit können wir pro Jahr immerhin rund zwei Millionen Euro investieren.

Neben den Stiftern gibt es die immer selteneren Mäzene und die immer populäreren Sponsoren. Welche Vor- und Nachteile hat Sponsoring gegenüber dem Modell Stiftung?

Sponsoring ist Werbung und als Betriebsausgabe definiert. Daraus ergibt sich, dass Künstler in direktem Bezug zur Corporate Identity und abhängig von den Marketingzielen des Unternehmens zu sehen sind. Aber wenn sie mit diesen Bedingungen umgehen können, ist Sponsoring eine wichtige Form des kulturellen Engagements. Stiftungen dagegen sind in der Regel gemeinnützig organisiert und können unabhängig von Konjunktur und personellen Veränderungen arbeiten. Die Kultur braucht beide Bereiche wie zwei Füße zum Laufen.

Kann Kunst als Imagepromotion für Firmen die klassische Werbung ersetzen?

Nein, höchstens ergänzen. Allerdings kann man beobachten, wie sich zunehmend künstlerische Strategien in der Werbung niederschlagen. Als Unternehmer sollte man heute in der Tat verstärkt darauf achten, nicht nur für ein Produkt zu werben, sondern für eine Haltung. Denn es geht nicht mehr nur um das Image, sondern um gesellschaftliche Verantwortung.

Entdeckt die Industrie mit Hilfe der Kunst derzeit ihre moralischen Verpflichtungen?

Das Thema des sogenannten „Corporate Citizenship“, des ethisch motivierten Unternehmens, ist an sich nicht neu. Neu ist, dass Firmen beginnen, sich ein eigenes „Corporate Culture System“ zu erarbeiten, also ihre Wertvorstellungen zu formulieren und zu kommunizieren. Erst vor kurzem wurde in Frankfurt zu diesem Zweck das „Institute for Corporate Cultural Affairs“ (ICCA) ins Leben gerufen. Die Gründung der Allianz Kulturstiftung steht ebenfalls in diesem Kontext.

Besitzt die Allianz auch eine Kunstsammlung?

Mehrere. Unsere Niederlassungen, die Hauptverwaltung und die Tochterunternehmen haben verschiedene Kollektionen aufgebaut. In Treptow in Berlin zum Beispiel haben 130 Künstler unter dem Motto „Im Gehen Sehen“ für den Neubau und die Büros Werke realisiert. In München wird Michael Albert, Chef der Bayerischen Allianz, von dem bekannten Kurator Harald Szeemann beim Aufbau der Sammlung beraten. In beiden Fällen ist die Kunst nicht nur ein materielles Phänomen, sondern Teil der Unternehmenskultur.

Nimmt die Zahl der Unternehmen zu, die sich für Kunst engagieren?

Durchaus. Viele Manager, aber auch die Öffentlichkeit messen die Stärke eines Unternehmens immer häufiger nicht mehr nur an der Qualität der Produkte und Dienstleistungen, sondern auch an der Bedeutung, die es innerhalb von Kultur und Gesellschaft hat.

Sie residieren sehr nobel...

Ja. Wir haben zusammen mit der Allianz Umweltstiftung das Privileg, in einer denkmalgeschützten Gründerzeit-Villa am Isarhochufer zu arbeiten. Die Allianz-AG hat das Gebäude in den fünfziger Jahren gekauft und umfassend restaurieren lassen. Das Haus ist so etwas wie die Visitenkarte der Stiftungen. Es spiegelt unseren Respekt vor dem kulturellen Erbe wider. Wir wissen, dass Visionen erst aus Traditionen entstehen.

Das Gespräch führte Eva Karcher.

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