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Mehr LICHT! (Ende): Götterfunke

Zwischen den Feiertagen wird die dunkle Jahreszeit immerhin von allerlei Lichtern erhellt – von den Baumkerzen bis zum Silvesterfeuerwerk. In unserer kleinen Serie haben wir leuchtende Beispiele erforscht.

Zwischen den Feiertagen wird die dunkle Jahreszeit immerhin von allerlei Lichtern erhellt – von den Baumkerzen bis zum Silvesterfeuerwerk. In unserer kleinen Serie haben wir leuchtende Beispiele erforscht.

Wer es entzündet, spürt unmittelbar, wie die Zeit rinnt, wie sich plötzlich alles scheidet in die melancholische Betrachtung der Flamme oder rationale Nutzerwägungen, in Funkenschlag oder Kohlerest. Nicht mehr als 20 Sekunden lässt sich ein brennendes Streichholz in Händen halten, eine kurze Spanne, ein ganzes Leben. Brand anlegen oder festhalten, bis die Hitze den Griff zwingend öffnet.

Die aus knirschender Reibung herausbrechende weiße Flamme knistert verheißungsvoll, sinkt in sich zusammen, macht einer kleineren gelben Zunge Platz, die wächst und verzehrt, was der Pappelspan hergibt. Das moderne Sicherheitszündholz, ein fragiles Gleichgewicht von Urgewalten, birgt eine der Alchemie abgerungene Mischung aus Brandbeschleunigung und Glimmhemmung. Beschwerlich und vergiftet war der Weg zur Domestizierung des göttlichen Funkens.

„Ach, wie gut musste ein Schwefelhölzchen tun!“, denkt Hans Christian Andersens kleines Mädchen, das an einen bitterkalten Silvestertag vergeblich versucht, seine Zündwaren zu verkaufen. Barfuß irrt es durch die Stadt, die Wärme nur hinter fest verschlossenen Türen kennt. In seiner Schürze birgt das kleine Mädchen Funken, in fester Pappe schlummernd, während es mehr und mehr von Entkräftung und Kälte umfangen wird. „Wenn es nur wagen dürfte, eins aus dem Schächtelchen herauszunehmen, es gegen die Wand zu streichen und die Finger daran zu wärmen!“ Alle Verbote und das ganze Elend gleiten ab, je mehr das Leben den erfrierenden Körper des kleinen Mädchens flieht. Und die Schwefelhölzer, einst unter dem Namen Luzifer zum Patent angemeldet, werfen ihr verklärendes Licht in die letzte Nacht des Jahres.

„Endlich zog das Kind eins heraus. Ritsch! Wie sprühte es, wie brannte es!“ Für eine Spanlänge verschiebt sich die Kältegrenze, scheinen Wärme, Essen und Geborgenheit spürbar nah. Und entschwinden beim Verlöschen erbarmungslos aufs Neue. „Der Morgen des neuen Jahres ging über der kleinen Leiche auf, die mit den Schwefelhölzern, wovon fast ein Schächtelchen verbrannt war, dasaß.“ Andersen gönnt seinem Mädchen ein Lächeln um den Mund und rote Wangen, denn es hat im Schein seiner Schwefelhölzer gesehen, wie der Himmel sich öffnet und es aufnimmt, da auf Erden niemand dazu bereit war. Ein unerträgliches, nicht hinzunehmendes Ende. Zum Jahreswechsel darum ein Streichholz angerissen und ein herzensheißer Vorsatz gefasst, ehe die Flamme verlischt: Götterfunken, Brüder werden, Lobgesang!

Erschienen sind: das Irrlicht (27.12.), das Feuerzeug (28.12.), der Leuchtturm (29.12.) und die Neonröhre (30.12.)

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