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Kultur: Mehr Ökonomie wagen

Klaus Wowereit diskutiert mit Berlins Kreativen und zieht Bilanz als Regierender Kultursenator

Der Mann kann machen, was er will, jetzt und in Zukunft. Man wird Klaus Wowereit einmal als den Bürgermeister in Erinnerung behalten, der Berlin „arm, aber sexy“ genannt hat. Der Spruch ist sein „Schau’n mer mal“, sein „Ich habe fertig“, ein Alltagsklassiker für jeden Anlass. „Reicher werden, sexy bleiben“, so haben die humoraffinen Genossen des Berliner Vorwärts-Verlags nun eine Diskussionsrunde beworben, auf der Wowereit mit allerlei klugen Kulturköpfen Perspektiven für das Kunstschaffen der Hauptstadt diskutieren sollte. „Kreativ Macht Berlin“ lautet der Übertitel, es geht also nicht um die mit C geschriebene Sorte Kreativität, die man aus den Schaufenstern von Frisören kennt. Sondern um den mehr oder minder harten Wirtschaftsfaktor, in den sich die Attraktivität einer Stadt für die Einfallsreichen aus aller Welt ummünzen lässt.

Klaus Wowereit – kurz vor den Wahlen nicht eben ein Überraschungs-Coup – lobt Berlin als superspannende Metropole in nahezu jedem Bereich von Musik bis Mode und zählt die Verdienste seiner Regierung um die Kultur auf. Landesbibliothek, Museumsinsel, Humboldt-Forum, alles Prestige-Klötze, in die kräftig investiert wurde und wird. Und so die nächste Regierung will und den Beschluss durchbringt, sollen jeweils 500 000 Euro mehr für die Freie Theaterszene und die zeitgenössische Kunst zur Verfügung stehen. Das ist doch was. Klar wünscht sich Wowereit außerdem, dass Berlin auch weiterhin Magnet für die jungen Künstler bleibt, die hier, anders als in Paris oder New York, bezahlbare Atelier- und Proberäume im Zentrum finden.

Aber, da wird man wirklich kurz hellhörig, er will ebenso, dass die Stadt wirtschaftlich besser dasteht. „Ein klares Bekenntnis“ dazu formuliert er, im staatstragenden Tonfall eines Weltpolitikers vor der Umbruchepoche: mehr Ökonomie wagen. Damit seien dann natürlich auch „Preissteigerungen in bestimmten Bereichen“ verbunden. Mal frei zusammengefasst: Sollte es gut laufen, hat Berlin in spätestens zehn, fünfzehn Jahren genauso unbezahlbare Innenstadtmieten wie heute London. Und wenn die Stadt dann nicht die viel beschworenen Ateliers und Proberäume subventioniert, zieht der Kreativnachwuchs eben weiter nach Warschau.

Damit hat der Regierende Kultursenator allerdings nichts anderes als einen ziemlich mehrheitsfähigen Wunsch formuliert. Und die Journalistin Petra Schwarz muss sich als Moderatorin Mühe geben, so etwas wie eine Diskussion unter den versammelten Kreativen in Gang zu bringen. Im Grunde läuft es wie immer, jeder spricht über sein Steckenpferd. Leonie Baumann, die Rektorin der Kunsthochschule Weißensee, beklagt die Ausschreibung der Bauflächen am Blumengroßmarkt an Höchstbietende durch den Liegenschaftsfonds unter dem Label „Checkpoint Art“.

Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters, bricht eine Lanze für die kulturelle Bildung, die in den Schulen ansetzen müsse. Modemacher Michael Michalsky fordert die Kreativen auf, sich nicht nur auf ein Standbein zu verlassen, er selbst habe neben der Selbstverwirklichung auch jahrelang Auftragsarbeiten angenommen, etwa für eine Luxustaschenfirma aus Korea. Dem Elektromusiker Paul van Dyk fällt die Rolle des Neoliberalen zu, der ketzerisch die Eigenverantwortung des Künstlers fordert und nicht zu Unrecht einwirft, ein schlecht verdienender DJ könne schließlich auch keine Subventionen beantragen. Und Autorin Katja Kullmann schließlich bespöttelt den unter Kreativwirtschaft gelabelten „Gedankenkapitalismus“, der „hier und da mal ein T-Shirt abwirft oder ein Magazin“. Am Ende wird Wowereit nach dem Berlin der Zukunft befragt. „Reich wird es sein“, beschwört er, „und immer noch sexy.“

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