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Von wegen Krise. Autorin, Regisseurin, Hauptdarstellerin Radha Blank.

© Jeong Park / NETFLIX

„Mein 40-jähriges Ich“ auf Netflix: Wenn dir die Jungs im Bus einen Platz anbieten

In Radha Blank erzählt in ihrer mitreißenden Tragikomödie „Mein 40-jähriges Ich“ von einer New Yorker Lehrerin und Dramaturgin, die Rap für sich entdeckt.

Auf jede Malerin und jeden Autor, auf jede Schauspielerin und jeden Filmemacher, die ihr Glück in New York gemacht haben, kommen Hunderte, denen das nicht gelungen ist. Sie hängen ewig in Nebenjobs, Seitenprojekten oder kleinen Produktionen fest und schaffen nie recht den Durchbruch – dabei muss ihre Arbeit gar nicht mal schlecht sein.

Die gerade verstorbene Mutter von Radha in der Tragikomödie von „Mein 40-jähriges Ich“ gehört zu diesen Unsichtbaren. Nun stehen ihre beiden Kinder vor einem ihrer Gemälde und stellen fest, dass sie beide keinen Platz dafür haben – also einlagern.

Radha zieht das bittere Fazit: „Du kommst mit einem Traum hierher, und deine Arbeit landet in einem Lager“. Doch ihr Bruder findet, dass die Malerin und Kuratorin immer gemacht hat, was sie wollte und ohnehin ihre Kinder als ihre größte Schöpfung verstand.

Radha selbst ist kinderlos und weit davon entfernt, ihren Traum vom kreativen Erfolg in New York zu verwirklichen. Vor bald zehn Jahren galt sie als eine der heißen Theaterautorinnen der Stadt. Der „30 Under 30“-Preis auf der Kommode ihrer kleinen Wohnung in Harlem erinnert daran. Doch nun arbeitet sie kaum motiviert als Theaterlehrerin in einer Highschool, während ihr bester Freund und Agent Archie (Peter Kim), sich bemüht, eines ihrer Stücke bei einem Produzenten unterzubringen.

Nichts geht recht voran, bis Radha in einer verzweifelten Nacht eine Erleuchtung hat: Sie will wieder rappen wie früher als Teenager. Es sprudelt nur so aus ihr heraus: „Why the young boy on the bus offer his seat to me/ Why’s my skin so dry?/ Why am I yawning right now?“ So sieht es aus, wenn man fast 40 ist. Darüber hat Radha einiges zu sagen. Archie hält nichts von der Idee, aber Radha zieht los, um sich einen Beat-Produzenten zu suchen.

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Radha wird gespielt von der 1976 in New York geborenen Radha Blank, die auch für Drehbuch und Regie von „Mein 40-jähriges Ich“ verantwortlich ist. Der lose an ihre autobiografische Kabarettfigur RadhaMUSprime – eine Rapperin – anknüpfende Film hatte vor einem Jahr beim Sundance Festival Premiere und ist jetzt auf Netflix zu sehen. Dass er nicht auf großen Leinwänden laufen kann, ist misslich, setzt Radha Blank doch auf wunderbar kadrierte Schwarzweiß-Bilder, die im 35-Millimeter-Format aufgenommen wurden (Kamera: Eric Branco).

Vor allem die vielen stimmungsvollen New Yorker Straßenszenen geben ihrem Debütspielfilm eine leicht nostalgische an Spike Lee und John Cassavetes erinnernde Note. Allerdings verorten Themen wie Queerness, Gentrifizierung und die Repräsentation von Minderheiten ihn eindeutig in der Gegenwart.

Blank packt überhaupt viel in ihren beeindruckenden ersten Film, dessen Originaltitel „The 40-Year-Old Version“ auf Judd Apatow „The 40-Year Old Virgin“ anspielt. So erzählt sie neben ihrer Kreativkrisen-Story auch noch von Freundschaft, Trauer und Liebe. Erstaunlicherweise wirkt das Werk dadurch nicht überladen. Es ist eher wie bei einem Rap-Song, der einen so fesselnden Flow hat, dass man gern verfolgt, wie er sich vom Hundertsten ins Tausendste hineinsteigert.

Blank hat nicht nur Talent fürs Plakative

Mühelos wechselt Blank dabei die Tonalitäten und Genres. Wenn sie etwa auf die weißen Figuren im Off-Broadway-Betrieb schaut, arbeitet sie mit farcenhafter Überzeichnung. Restlos alle hier benehmen sich peinlich und selbstbesoffen von ihrer vermeintlichen liberalen Aufgeklärtheit. Das geht so weit, dass der Produzent meint, er könne Radha vorwerfen, ihr Stück sei nicht authentisch . „Ich habe mich gefragt, ob das wirklich eine schwarze Person geschrieben hat.“ Woraufhin sie ihm an die Gurgel geht – und später über „poverty porn“ rappt.

[Jetzt auf Netflix]

Doch Radha Blank hat nicht nur Talent fürs Plakative, das sie etwa in einer kaum auszuhaltenden Fremdschäm-Szene in einem Hip-Hop-Club unter Beweis stellt. Ihr gelingen auch zarte Momente, vor allem im Zusammenspiel mit dem Beat-Produzenten D, der von Rapper Oswin Benjamin in seiner ersten Filmrolle mit charismatischer Lässigkeit verkörpert wird.

Und wenn Blank im letzten Drittel von „Mein 40-jähriges Ich“ doch zu viel auf einmal will, rettet sie alles, indem sie D in der poetischen letzten Einstellung zurückbringt. Radha und er schlendern durch eine finstere Straße. D beatboxt, sie improvisiert dazu, ihre Gestalten verschmelzen mit der Nacht. Dafür zeigt sich plötzlich zum ersten Mal eine Farbe. Fern und warm leuchtet sie wie ein Hoffnungszeichen.

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