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Kultur: „Mein Herz brennt“

Regisseur Moodysson über Menschenhandel und Würde

Herr Moodysson, das Leben in Ihrem Film ist die Hölle auf Erden.

Ich wollte etwas herausfinden über die Anwesenheit oder Abwesenheit Gottes. Aber ich sehe den Film nicht als besonders metaphysisch an. Er ist sehr realistisch. Als ich mit dem Drehbuch begann, war die religiöse Vorstellung in meinem Kopf stärker. Doch nach einiger Zeit bekam ich das Gefühl, dass ich mehr Verantwortung gegenüber dem habe, was tatsächlich in der Welt passiert. Es gibt Zeiten, in denen man handeln muss und nicht reflektieren. Deshalb ist „Lilja 4ever" nicht nur ein Film gegen, sondern auch für etwas: für die menschliche Würde.

Die Jugendlichen in Ihrem Film wirken wie die Vertreter einer verlorenen Generation.

Ich bin mir nicht sicher, ob es eine ganze Generation ist. Es hat mit Geld und der sozialen Schicht zu tun. In Estland haben manche Leute ein gutes Leben – aber andere nicht.

Die Eltern sind egoistisch, brutal und kalt.

Sie sind verzweifelt – wie Lilja. Eines der Themen des Films ist, wie Armut, Hoffnungslosigkeit und ein Gefühl der Machtlosigkeit Menschen verzweifeln lässt, soweit, dass sie ihre Nieren verkaufen, ihre Kinder aufgeben oder das Heimatland verlassen.

Warum hat es Sie diesmal in die ehemalige Sowjetunion gezogen?

Weil so etwas in Schweden nicht möglich ist. Menschenhandel, wie ich ihn darstelle, basiert auf der Kluft zwischen arm und reich.

Am Anfang hat man den Eindruck, es gehe um die Nachwirkungen des Kommunismus.

Es geht genauso um die Vergewaltigung des Kapitalismus. Ich bin kein Nostalgiker der Sowjetunion, aber dort wurden nicht Tausende von Frauen und Kindern verkauft. Als ich den Film Menschenrechtsgruppen in Moldawien oder Tadschikistan vorführte, die mit Prostitution und Menschenhandel zu tun haben, wurde mir gesagt, dass er die Mechanismen einer zusammengebrochenen Gesellschaft ziemlich genau porträtiert. Erst jetzt sehe ich das ganze Ausmaß: Ich hätte den Film noch düsterer machen können.

Wie sind Sie auf die deutsche Gruppe Rammstein gestoßen?

In Estland sah ich ein Graffiti mit ihrem Namen. Daraufhin habe ich mir die Alben gekauft. Der Song „Mein Herz brennt“ kommt dem sehr nahe, was ich für die Geschichte empfand. Die Songs sind wohl deshalb interessant für junge Leute in Estland oder Russland, weil sie die ziemlich aggressive Atmosphäre zum Ausdruck bringen.

Das Gespräch führte Julian Hanich.

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