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Kultur: Mein Leben in Rot

Kreuzberger Nächte im Panorama: „Die Ritterinnen“

Wilde Nächte, Wohngemeinschaften, Plenumsdebatten, Demos, Frauengruppen: Mitte der 80er Jahre war Berlin-Kreuzberg Zentrum des politischen Protests. Am 1. Mai 1987 eskalierte der Straßenkampf der autonomen Szene. Das Quartier rund ums Kottbusser Tor wurde zur „befreiten Zone“, ein Supermarkt restlos geplündert von Jung und Alt, es ging gegen Globalisierung, den Internationalen Wirtschaftsfonds und um Befreiung und freie Liebe. Die Regisseurin Barbara Teufel war dabei, mittendrin: frisch zugezogen aus Tübingen, Gründerin eines Frauen-Cafés, Studentin an der dffb.

Nun hat sie aus ihrer eigenen Geschichte einen Film gedreht, eine Mischung aus Dokumentation und Spielfilm. Die junge Bonnie, ein Landei aus der schwäbischen Provinz, gerät in die Kreuzberger Autonomenkreise, gründet mit sechs weiteren Frauen die WG der „Ritterinnen“ in der Ritterstraße, wirft die Männer aus der Wohnung und aus ihrem Leben und findet am Ende Erfüllung in ihrem ersten selbstgedrehten Film. Dazwischengeschnitten sind Interviews mit den echten „Ritterinnen“, den WG-Freundinnen von damals, und ihren Kampfgenossen. Ein melancholischer Rückblick, der Versuch einer Rekonstruktion, was war und warum nicht alles wurde, wie es sollte.

„Die Ritterinnen“ erzählt von einem gewagten Experiment und vom Scheitern einer Utopie. Teufel dokumentiert ein Stück Zeitgeschichte aus einer Zeit, die noch so nah und vertraut ist, dass sie eigentlich noch gar nicht als Geschichte wahrgenommen wird – auch, weil die eingeschnittenen dokumentarischen Videoaufnahmen sich farblich und technisch so wenig von den nachgedrehten Spielszenen unterscheiden. Vielleicht allerdings hätte man die Geschichte lieber gleich ganz als Dokumentation gesehen: Alles, was Film ist am Film, die so sorgfältig arrangierten Hintergrundfarben, Männer in Blau, Frauen in Orange, die gestellten Spielfilmszenen, die Plenumssitzungen mit immer gleichen Akteuren und Argumenten, wirkt doch sehr kunstgewerblich.

Am meisten aber stört die mangelnde Distanz, mit der die Regisseurin ihr Alter Ego Bonnie zur Heldin stilisiert: als leidenschaftliche rastalockige Kämpferin, die nicht sieht, dass ihr Kampf zu einem Großteil auch Egoismus ist und die, wie ihre WG-Freundinnen, vom Fall der Mauer und dem Einbruch der Politik in ihr Leben völlig überfordert ist. Hier, mit dem Zusammenbruch der Kreuzberger Aktivistenszene und den Gründen für das Scheitern der Ritterinnen, hätte der Film eigentlich erst beginnen sollen. Aber leider endet er schon.

Heute 17.30 Uhr (Cinestar 3), 12.2., 14.30 Uhr (Cinestar 7), 15.2., 17 Uhr (Cinestar 7 )

Christina Tilmann

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