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Kultur: Mein Schreibtisch, eine Insel

Oberfabulierer: Erinnerungsalbum für Italo Calvino.

Am 15. Oktober wäre Italo Calvino 90 Jahre alt geworden. Daran erinnert ein reichhaltiges, liebevoll aus Fotos und Textbausteinen montiertes Brevier, das in Italien bereits 1995 zum zehnten Todestag des wohl wichtigsten italienischen Autors des vergangenen Jahrhunderts, dem wir Klassiker postmoderner Fabulierkunst wie „Die unsichtbaren Städte“, „Wenn ein Reisender in einer Winternacht“ oder die „Cosmicomics“ verdanken, erschienen ist.

Umberto Ecos metafiktionales Erzählen wäre ohne ihn ebenso wenig denkbar wie dasjenige von Paul Auster – um nur zwei von vielen zu nennen, die mit Calvinos Hilfe das Terrain einer zeitgenössischen, mit allen Wassern der Kombinatorik gewaschenen Fantastik bestellen – wobei er obendrein bei allen narrativen Kapriolen auch noch über ein hellwaches linksliberales Bewusstsein verfügte.

Doch anders als in Italien, Frankreich oder den Staaten hat calvineskes Erzählen hierzulande – trotz vieler Ausgaben in guten Übersetzungen – kaum den Kultstatus erreicht, der ihm gebührt. Dabei könnte die zum kurzweiligen Blättern einladende Calvino-Devotionalie nicht nur Fans und Kenner erfreuen, sondern auch Einsteiger und Neugierige begeistern.

Anstelle einer noch ausstehenden großen Calvino-Biografie bietet das „Album Calvino“ einen fröhlich in verstreuten kleineren Texten des Dichters wildernden Ariadnefaden durch das Labyrinth eines Werkes, das sich im Schatten der Lebensstationen San Remo, Turin, Rom, Paris und Siena und auf ausgedehnten Reisen über den äußeren und inneren Globus entfaltete.

Dass er Buster Keaton über alles liebte und Verse von Eugenio Montale den jungen Partisanen vor der Verzweiflung retteten, dass die Experimente des Zirkels von Oulipo ( Ouvroir de littérature potentielle) rund um Georges Perec und Raymond Queneau seine „schwebende, pulverisierte, teilchenhafte Utopie“ waren, dass er Paul Klee auf den Umschlägen seiner Bücher favorisierte und seinen Schreibtisch als eine einsame Insel empfand, dass er beim Einkaufen auf die besten Ideen kam und seine Tochter zuletzt noch für eine Schildkröte hielt: Aus lauter unbekannten Details wie diesen entwickelt dieses Album ein Lebens- und Geistesmosaik, das so schillernd bunt wie seine Bücher ist. Jan Röhnert

Italo Calvino:

Album Calvino. Hrsg. von Luca Baranelli und Ernesto Ferrero. Aus dem Italienischen von Andreas Löhrer.

S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2013. 368 Seiten, 19,99 €.

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