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Kultur: Meine Mutter, die Rockerbraut

„Ich bin kollektiv“, singt Bernadette La Hengst. Mit ihrem zweiten Album erobert die Songwriterin die Disko

Sie hat dieses Phantom, das sich Glück nennt, schon ein paar mal getroffen. Es huschte unangekündigt herein, setzte sich für einen kurzen Moment und kehrte dann in sein Versteck zurück. „Mir passiert das immer wieder“, sagt Bernadette La Hengst. „Man kann eben nichts festhalten und sich nie sicher sein. Das finde ich als Lebenszustand positiv.“ Deshalb hat sie für sich beschlossen: immer in Bewegung bleiben, alles hinterfragen – Themen, die auch in ihren Liedern und im Gespräch auftauchen, das wir in ihrer eben erst bezogenen Mitte-Wohnung führen. Wenn man der Musikerin eine Weile zugehört hat, wie sie vom „Grundgefühl der Veränderung“ spricht und an ihre klugen Songtexte über das Glück denkt, dann wird langsam klar: Bernadette La Hengst ist auf unspektakuläre Weise ziemlich nah dran an so etwas wie Lebensweisheit – und kann noch dazu großartigen Käsekuchen backen.

Dass sie, die einmal als „Hamburger Antwort auf die Lassie Singers“ bezeichnet wurde, tatsächlich den Mut hat, radikal die Richtung zu ändern, hat sie nach der Trennung ihrer Frauenband Die Braut haut ins Auge bewiesen: Sie ließ neun Jahre Indie-Rock hinter sich und wagte den Neubeginn mit Rhythmus-Maschine und Synthesizer. So erschien 2002 ihr Solo-Debüt „Der beste Augenblick in deinem Leben“, das mit einem verwegenen Mix aus Elektro-Pop, Folk und Chanson überraschte. Der Titelsong ist ein Hit, verkannt zwar, dessen mitreißend hymnischer Refrain Lebenshilfe im T-Shirt-Spruch-Format spendiert: „Der beste Augenblick in deinem Leben ist nicht morgen, sondern gerade eben.“

In den drei Jahren, die seither vergangen sind, entwickelte sich Bernadette La Hengst zur Allrounderin: Sie spielte Theater, schrieb Musik für Performances, half das Ladyfest Hamburg zu organisieren, war Dozentin bei einem Mädchenbandprojekt, produzierte ein Hörspiel und nahm mit dem Aktionskunst- Kollektiv Schwabinggrad Ballett ein Album auf. Außerdem zog sie vor einem Jahr von der Elbe wieder nach Berlin, wo sie schon einmal gewohnt hat, und brachte Tochter Ella Mae zur Welt. Wenig später begann sie, am neuen Solo-Album „La Beat“ (Trikont) zu arbeiten. Es ist die erste Platte, die sie komplett allein am Laptop aufnahm und produzierte. Auch die Gitarren, den Synthesizer, die Mandoline und das Klavier, die sich jetzt dezent an die Wände ihres Schlafzimmers schmiegen, spielte sie selbst ein. Trotzdem gehört Bernadette La Hengst nicht zur Kaste der verschlossenen Tüftler und Knöpfchendreher. Zahlreiche Gäste schauten in ihrem Homestudio vorbei, merke: der Käsekuchen. Mit dabei waren unter anderem die Ex-Braut Peta Devlin sowie Knarf Rellöm, Tanja Krone und das Duo Rhythm King and her Friends. Auch Baby Ella Mae wollte schon mitmischen: „Wenn man genau aufpasst, kann man bei manchen Stücken im Hintergrund ihr ,Mäh Mäh’ hören“, erzählt Bernadette La Hengst lachend.

„La Beat“ bewegt sich weg vom Poppig-Leichten ihres Debüts hin zu einem reduzierteren, schwärzeren Sound. „Ich wollte eine Soul-Platte machen, etwas wie Deep R&B. Auf keinen Fall sollte es Achtzigerjahre-mäßig klingen oder sich an Klischees abarbeiten“, sagt die Musikerin. So groovt es 55 Minuten lang gewaltig: Im dubbigen Titelstück „La Beat Goes On“ entwickelt sich das entspannende Schaukeln eines alten Chevy-Cabrios. Dazu kommen ein abgedrehtes Prediger- Sample („Hell Is A Place“) und ein nicht minder witziger Sprechgesang: „Diringe ding deng, Diringe dong dang, bowocke wack wack, beschocke schack, schack.“ Ebenfalls ein Hit, zu dem es nicht kommen wird, ist das auf Englisch gesungene „Globe“. Es glitzert super-funky aus den Boxen und erinnert im Chorus ein wenig an die Britin M.I.A. Dazwischen finden sich ruhigere Stücke wie das wunderschöne „Zug ohne Bremse“ oder „Krachgarten“, die deutlich La Hengsts klassische Songwriting-Herkunft spiegeln.

Derselben Tradition entspringen auf „La Beat“ auch Gedanken über Arbeitslosigkeit oder Neoliberalismus, mit denen sie den Großteil der derzeit erfolgreichen Popmusik aus Deutschland weit hinter sich lässt. Für die „gute alte, handgemachte Rockmusik“ hat die 1967 in Bad Salzuflen geborene Musikerin ohnehin nichts übrig: „Das ist doch alles furchtbar konservative, sehr langweilige Musik. Da waren wir in Hamburg Anfang der Neunziger weiter.“ Besonders enttäuschend findet sie auch die Rolle, die die Sängerinnen in dieser Neo-Deutschen-Welle spielen. Sie sagt: „Musikerinnen sollten Pionierinnen sein.“ Ihr fallen da einige ein: Le Tigre, Missy Elliott, Peaches, Chicks on Speed, Rhythm King and her Friends oder Kevin Blechdom. Kein Zufall, dass einige von denen in Berlin leben und der Elektro-Szene verbunden sind.

Das Thema Feminismus, mit dem sie lange identifiziert wurde, ist für La Hengst nicht erledigt. In „Rockerbraut & Mutter“ fragt sie, wie Babys und E-Gitarren überein zu kriegen sind. „Wo ist das Vorbild für das Leben, das ich meine“, singt sie, „wo sind die role models, die mir zeigen, wie es geht?“ Sie wolle eine Realität schaffen, sagt sie, „als wäre der Feminismus schon durchgesetzt worden. Indem man viel über Künstlerinnen spricht, wird klar: Die gibt es, und die sind nicht nur in irgendwelchen Nischen zu Hause.“ Mit „La Beat“ hat sie selbst einen Beitrag dazu geleistet.

Bernadette La Hengst, heute um 21 Uhr im Festsaal Kreuzberg (Skalitzerstr. 130).

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