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Kultur: Meine Sprache: Rudolf Walter Leonhardt über die ungleichen Synonyme

In Berlin ist man, wie anderswo schon, wie auch anderswo sicher immer wieder, auf den Gedanken gekommen: Die Behörden sollten Fremdwörter (wenigstens) dort vermeiden, wo es ein deutsches Wort "gleichartiger Bedeutung" gibt. Auch wenn wir keine anderen Sorgen hätten: Die Sprache macht das nicht mit.

In Berlin ist man, wie anderswo schon, wie auch anderswo sicher immer wieder, auf den Gedanken gekommen: Die Behörden sollten Fremdwörter (wenigstens) dort vermeiden, wo es ein deutsches Wort "gleichartiger Bedeutung" gibt. Auch wenn wir keine anderen Sorgen hätten: Die Sprache macht das nicht mit.

Die meisten von uns wären ja dankbar, wenn wir diese unsäglichen Betriebsanleitungen für Geräte, diese unverständlichen Erklärungen von Medikamenten, diese ungenauen Anordnungen von Behörden für staatstreue Bürger ohne Mühe und Zweifel verstehen könnten. Wir wollen deswegen auch Versuche nicht tadeln. Wir wollen lediglich alle Betroffenen mild warnen: Es geht nicht.

Sonderbar oft lesen wir in den Ermahnungen zu deutschem Sprachgebrauch das Wort "Anglizismus" oder "Amerikanismus". Das sieht doch so aus, als könnten wir noch nicht einmal für diese beiden "-ismen" ein deutsches Wort finden. Nachdenklich macht einen auch der Umgang mit dem in der Sprachlehre üblichen Ausdruck "Synonym". Er soll bedeuten, was wir hier meinen: ein Wort (wie "vergeblich"), das einem anderen gar nicht ähnlich klingt, aber dennoch (wie "umsonst") das gleiche bedeutet. Im Labyrinth der Synonyme ist der Ausgang aus der schwierigen Lage hier, wie etwa bei der Hälfte aller Synonyme, noch leicht erklärbar. Alles wäre in Ordnung, wenn da statt "gleicher" Bedeutung, "oft gleich", "meistens gleich" oder "gleichartig" gestanden hätte. "Du ärgerst dich vergeblich" gleich "Du ärgerst dich umsonst". Keine Einwände! Also Federfuchserei? Wie jedoch Folgendes? "Ich gebe dir das vergeblich" - "Ich gebe dir das umsonst." Ungern sähe ich in einer amtlichen Verlautbarung so wenig Genauigkeit.

Statt einer langen Abhandlung noch ein paar fragwürdige Synonyme: "Blau" - "bleu". Synonyme von Fremdsprachen sind nicht verpönt, sondern gesucht.

"Sonnabend" - "Samstag". Wer Regionalsprachen (Dialekte) für wünschenswert hält, muss diese Art von Synonym für wünschenswert halten.

"Moslem" - "Mohammedaner". Sprachlich sind beide korrekt, politisch aber jeweils nur eines.

"Journalist" - "Redakteur" - "Talkmaster" - "Moderator" - "Autor" - "Publizist" - "Chefredakteur". Seltener korrekte Stellenbeschreibung, häufiger hierarchische Ansprüche.

"Bekannter" - "Freund" - "Partner" - "Lebensgefährte" - "(Ehe)mann". Siehe oben.

In der Schule habe ich gelernt, das kurze, klare, einfache, oft auch einsilbige Englisch komme aus dem Germanischen. Seine farbigeren, komplizierteren, eher wissenschaftlichen Synonyme kämen aus dem Romanischen. In England habe ich gelernt: So stimmt das alles nicht.

An die Reformer: Wenn es nach mir ginge, würden alle Synonyme beseitigt. Sie stiften oft Missverständisse, Verdrehungen, Lügen. Aber sie bringen auch Farbe, Phantasie und Poesie in unsere Sprache. Schon deswegen wollen wir sie nicht missen.

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