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Kultur: Meine Straße

Zauberhaft: Zaz in der Zitadelle Spandau

Uuaaaaahhh! Ahhhh! Ein infernalisches Gebrüll steigt in den Spandauer Abendhimmel. Etwa 3000 Berliner strapazieren ihre Kehlen bis aufs Äußerste. Angezettelt hat diese kollektive Urschrei-Therapie Isabelle Geffroy, die sich als Musikerin Zaz nennt. Sie will, dass die Zuhörer ihre unterdrückten Gefühle rauslassen und sogar noch für ihre Vorfahren mitgrölen. Eigentlich eine leicht peinliche, esoterisch angehauchte Aktion, die bei vielen anderen Sängerinnen sicherlich schief gehen würde. Doch die 31-jährige Französin hat so viel Charme und Witz, dass sich ein seriöses, mittelaltes Konzertpublikum gern mal komplett zum Affen macht.

Schließlich gibt sie selbst auch alles: springt in ihren knallorangenen Turnschuhen von einer Bühnenseite zur anderen, fordert immer wieder zum Mitklatschen auf und feuert ihre Musiker an, wenn diese ein Solo spielen. Der dynamische Auftakt mit „Les Passants“, „J’aime à nouveau“ und „Le long de la route“ sorgt sofort für gute Stimmung. Es ist die Zaz-typische Mischung aus Chanson und Pop, die auch ihr letztes Jahr erschienes Debütalbum so erfolgreich gemacht hat. In Frankreich und Belgien führte sie damit die Charts an, in Deutschland hält sie sich noch immer in den Top Ten.

Im Mittelpunkt steht ihre raue, unglaublich ausdrucksstarke Stimme, deren ganzes Potenzial bei den ruhigeren Stücken des rund 90-minütigen Abends zur Geltung kommt. So gelingt der früheren Pariser Straßenmusikerin eine tief berührende Interpretation des Edith Piaf- Stücks „Dans ma rue“. Und ihre eigene, nur von einer Akustikgitarre begleitete Ballade „Trop sensible“ besticht durch einen immensen Gänsehautfaktor. Ungerührt steht die Sängerin im blauen Scheinwerferlicht, während sie das mucksmäuschenstille Publikum in ihren Bann zieht.

Die vierköpfige Band begleitet Zaz transparent und locker, der Sound ist ausgesprochen gut. Mal pumpt der Gitarrist im Django-Reinhardt-Stil, mal slappt sich der Bassist durch ein Intro und mal driften alle zusammen in eine ulkige Rock-Persiflage. Sie haben sichtbar Spaß an der Sache, denn Zaz spielt nicht die Diva, der alle zu dienen haben, sondern eher das Verbindungselement zwischen den Musikern. Sicher profitiert sie dabei auch von den Erfahrungen, die sie in diversen Blues- und Jazz-Formationen gesammelt hat. Zweimal holt sie eine Zuschauerin auf die Bühne, die ihre längeren Anmoderationen übersetzt. Schön, dass sie sich nicht ins Englische flüchtet, so wirkt sie wärmer und witziger. Das ohnehin recht frankophile Publikum freut sich und singt beim Hit „Je veux“ eifrig mit. Darin reimt Zaz bonne humeur auf bonheur und cœur. Gute Laune, Glück und Herz – all das machte auch ihr Berliner Konzert aus. Nadine Lange

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