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Kultur: Meister des Wegduckens

Dem Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger zum 70.

Er ist seinen Emil nicht mehr losgeworden. Komik entsteht, wo was schief geht: Seine Flucht vor der eigenen Person ist dann eben doch immer wieder schief gegangen.

Berühmt geworden war er in den Siebzigerjahren durch Emil, die Kleinkunstfigur: den personifizierten Dienst nach Vorschrift, den ungerührten Grantl-Beamten par excellence, den Meister des Wegduckens. Er gab den bauernschlauen Angestellten, der mit allen Tricks nur darum kämpft, formal korrekt keinen Finger krumm zu machen. Er gab den Feuerwehrmann, den Polizisten, den entnervten Vater: Männer, die sich ihrer übermenschlichen Aufgabe erfolgreich entziehen, aber mit ihren Monologen fast valentinesk in die Fallen der Grammatik und der eigenen Denkobsession tappen. Die political correctness war kaum erfunden, da trat Emil Steinbergers schwarzer Humor bereits in ihre Fettnäpfchen; seine egomanischen Bürger-Typen wirkten realistisch bösartig. Er spießte nicht die da oben auf mit seinen sanften Karikaturen, sondern menschliches Gehabe, wie er es nennt: das helvetische Pendant zu den bajuwarischen Spießern eines Gerhard Polt. Sein Film „Die Schweizermacher“ zeigte am Umgang der Eidgenossen mit ihren Ausländern, wie Mentalität und Politik zusammengehören. Emil war als Komiker ganz oben, Pionier der satirischen Alltagsminiatur, Fernsehstar – und ist 1987 ausgestiegen. Damals hatte das permanente Comedy-Menscheln auf den Kabarettbühnen bereits begonnen.

Dies ist, bewahre, kein Nachruf, heute wird Emil Steinberger 70 Jahre alt. Aber in welcher Form er seinem Publikum künftig begegnen will, weiß er selbst noch nicht. Seine Fluchtversuche müssen nicht abgeschlossen sein.

Zur Welt gekommen ist er in Luzern. Neun Jahre Arbeit bei der Post: zuviel Langeweile. Emil wird Grafiker, dann Kino- und Kleintheaterbetreiber, woraus seine Solokarriere erwächst. Eine Ehe scheitert. Er stellt fest, dass er nur noch sich selbst kopiert. Und dass seine Fans immer nur den alten Emil wollen. Dass ihn in der Schweiz jeder kennt. Er flieht 1993 nach New York, wird sogar dort von der eigenen Medienpopularität eingeholt. Heiratet die Kölnerin Niccel Kristuf, kehrt mit ihr zurück, an den Genfer See.

Seine Frau gibt „Lachseminare“ und schreibt das Buch „Ich bin fröhlich“. Ihr Mann schreibt das Buch „Wahre Lügengeschichten“ und promoviert die banale Anekdotensammlung auf Leseabenden. Manchmal taucht dabei zwischen Steinbergers Rezitationen eine Prise Brettl-Emil auf. Doch die skurrile Schärfe seiner verbissenen Angestelltenfigur interessiert den Autor nicht mehr. Er ist so lieb geworden. Und vielleicht – Glückwunsch! – zu fröhlich, um komisch zu sein.

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