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Kultur: Meisterwerke aus dem Untergrund

Die Galerie Brockstedt zeigt Keith Harings „Subwaydrawings“

„Eines Tages, als ich in der U-Bahn saß, sah ich eine leere schwarze Werbefläche. Sofort war mir klar, dass dies ein perfekter Ort zum Zeichnen war. Ich kaufte eine Schachtel weiße Kreide und kehrte an den Ort zurück, um eine Zeichnung zu machen. Ich entdeckte immer mehr schwarze Flächen und zeichnete auf ihnen, jedesmal wenn ich eine sah.“ So einfach stellt Keith Haring den Beginn seiner Künstlerkarriere dar, die mit den legendären „Subway Drawings“ ihren Anfang nahm. Damals ahnte Haring noch nicht, dass seine Skizzen einmal in Museen zu sehen sein würden.

Der New Yorker Straßenkünstler Paolo Buggiani dagegen erkannte ihren Wert. Als er beobachtete, wie Plakatkleber dabei waren, mit den Werbepostern Harings Zeichnungen von der Wand zu reißen, sammelte er sie ein und bewahrte so über 50 „Subway Drawings“ vor der Zerstörung. Ein Teil dieser Skizzen ist nun in der Galerie Brockstedt zu besichtigen. Sie zeigen kläffende Hunde, Babies, Engel und Männer, die heilige Pyramiden emporheben. Sie beschreiben symbolträchtig das Ideal einer neuen Zivilisation. Harings archaisch anmutende Umrisszeichnungen und seine einfache, piktogrammartige Bildsprache sind universal verständlich gehalten, wie die unter ihnen verborgenen Reklameposter.

Haring hatte sich in den Kopf gesetzt, eine unkommerzielle und demokratische Kunst zu schaffen, die sowohl in ihren Aussagen als auch in ihrem Wesen gegen das Establishment revoltierte. Wie Andy Warhol verwischte er die Grenzen zwischen den Künsten und der Popkultur, zwischen Galerie und Straße. Dies hat ihm später auch den Zorn einiger etablierter Galeristen eingehandelt, die ihm Populismus vorwarfen. Inspiriert von der New-Wave Musik und dem Breakdance, der Graffiti-Kunst auf U-Bahn Wagons, der Hip-Hop und der East-Village-Szene, übertrug er die street culture von New York in seine Kunst. Mit bis zu 40 Zeichnungen am Tag verwandelte Haring zwischen 1980 und 1984 die New Yorker U-Bahn in ein vibrierendes Untergrundmuseum. Seine Botschaften prangerten das Konsumdenken an, die wachsende Diktatur des Fernsehens, die steigende Konzentration radioaktiver Strahlen und Umweltverschmutzung, die globale Entmenschlichung sowie Vorurteile gegen Homosexuelle und die zunehmende Industrialisierung und Automatisierung.

In den „Subway Drawings“ fand Haring zu seiner individuellen Handschrift und definierte die Themen seiner späten Arbeiten. Und gerade hier liegt die universelle Bedeutung dieser immer noch aufrüttelnden frühen Zeichnungen. Mit ihnen verwirklichte er für alle sichtbar das, was ein anderer New Yorker Künstler, Paul Simon, 1964 in „Sounds of Silence“ besang: „And the words of the prophet are written on the subway wall“. Ulrike Nürnberger

Galerie Brockstedt, Mommsenstraße 59, bis 31. August; Dienstag bis Freitag 13-18, Sonnabend 10-14 Uhr.

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