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Kultur: Memento Motori

Roland Fuhrmanns kinetische Objekte

Sommerzeit ist Urlaubszeit ist Stauzeit. Wer die kuriose Amour fou zwischen Mensch, Maschine und Freizeit einmal stressfrei genießen will, dem seien die Stausimulationen von Roland Fuhrmann ans Herz gelegt. Auf den ersten Blick mutet „STAUSI 1“ (6800 Euro) wie eine zeitgenössische Paraphrase auf Kasimir Malewitsch an: roter Kreis auf weißem Grund. Doch während man noch über die unterkühlte Oberfläche sinniert, wird der Kreis plötzlich mobil. Fuhrmann tauschte den Pinsel gegen einen Magneten ein und ersetzte die Leinwand durch weißes Plexiglas, auf dem siebzig rote Autos – im Maßstab 1:500 – einem ebenso sinnfälligen wie sinnlosen Kreislauf ausgesetzt sind. Paul Virilios rasender Stillstand als (Auto-)Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt.

Mit subtiler Ironie und technischer Raffinesse nimmt der 1966 in Dresden geborene Künstler die letzten Zuckungen des Industriezeitalters und unseren unerschütterlichen Fortschrittsglauben aufs Korn. Zeit- und Daseinsfragen verknüpft Fuhrmann mit einer altertümlichen Sanduhr und hochmoderner Lasertechnologie zum „Memento Mo(to)ri“ (2800 Euro). Dem Bundesadler wachsen dagegen filigrane Schwingen aus Alublech, mit denen das Staatssymbol per mechanischem Handzug zum „Großen Hampelmann“ avanciert. Das vorzügliche Spiel am Bandel der Macht erzeugt zudem einen reizvollen Klang, der selbst Abgeordnete sanft aus dem parlamentarischen Tiefschlaf wecken könnte. Der Prototyp kostet 2200 Euro, ein Auflagenobjekt im Laserzuschnitt ist in Planung; denn auch Künstler und Galeristen müssen sich hin und wieder den „Commercial Illusions“ hingeben, auf die der Ausstellungstitel abzielt und die Fuhrmann so wunderbar augenzwinkernd enttarnt.

In „Prayer Wheel“ (4500 Euro) wirbt ein elektronisch generiertes Männlein für die Menschenrechte. Doch die Charta der Vereinten Nationen flirrt so eilig über ihn hinweg, als wäre sie selbst auf der Flucht. Den Wortlaut des Verfassungstextes entziffern vermag der Betrachter nicht. Die Demonstration auf dem endlosen Filmloop des Leuchtkastens wirkt wie das beharrliche Auf-der-Stelle-treten einer ohnmächtigen Spezies.

An die Geschichte des Menschen als immerwährenden Beschleunigungsprozess scheint Fuhrmann nicht mehr zu glauben. Aber vielleicht entpuppen sich seine kinetischen Objekte und Installationen ja eines Tages als gordischer Knoten im Verkehrsstau.

Spielhaus Morrison Galerie, Reinhardtstraße 10, bis 31. August; Dienstag bis Sonnabend 12–19 Uhr.

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