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Szenen einer Ehe. Reverend Christian Dabeler und Almut Klotz.

© Verbrecher Verlag

Memoiren von Almut Klotz: Nur die Liebe lässt uns zanken

Witz und Weisheit: Almut Klotz beschreibt in ihren Memoiren vor allem die Beziehung zu ihrem Mann. Dabei können die beiden eigentlich nichts miteinander anfangen - und sind doch wie füreinander geschaffen.

Jede Liebe hat ihre Fallhöhe. Je stärker das eine, desto größer das andere. Manchmal ist Streit das Lebenselixier einer Beziehung. „Dieses Taylor-Burton-Ding schwebte immer über uns“, sagt Christian Dabeler über die Liebe zu seiner Ehefrau Almut Klotz, die 2013 starb. Ihre Liaison begann mit einem Jahr Streit, auch danach wurde es nicht einfacher. „Streit hat seine Vorteile“, schreibt Klotz. „Schon wegen der Versöhnung.“ Allerdings haben Klotz und Dabeler sich nicht – wie Taylor und Burton – zweimal scheiden lassen. Nicht mal einmal.

„Fotzenfenderschweine“ heißen die Erinnerungen der Musikerin und Schriftstellerin, an denen sie bis zu ihrem Krebstod gearbeitet hat. Sie erscheinen jetzt als gut hundertseitiges Fragment. Klotz war einmal fast berühmt als Mitglied der Powerpopband Lassie Singers und leitete später den Popchor Berlin. Aber ihre Memoiren streifen die Erfahrungen im Prekariat der Independentkultur nur am Rande, sie handeln vor allem von der Partner- und Komplizenschaft mit Dabeler. Das Buch muss als posthume Liebeserklärung verstanden werden. Gerade deshalb ist es schonungslos formuliert. Dabeler, der sich Reverend nennt, erscheint als Sonderling und Wüterich. Seinen ersten Auftritt hat er als „düsterer Mann mit kleinem Hund“. Der Begriff „Fotzenfenderschweine“ stammt übrigens aus dem Maritimen und meint Fender, jene Schutzpolster, die Schiffsrümpfe schützen. Er ist ein von Klotz erfundenes Schimpfwort.

Er trinkt, um sich von zu vielen Eindrücken abzuschirmen

Sie ist bestens vernetzt, treibt Projekte voran, tritt auf, legt – „wer nichts wird, wird DJ“ – Platten auf, hat einen Sohn und lebt in Berlin. Er gibt den Loner im Anzug, spielt Orgel, nimmt Theatermusik auf, verschanzt sich in seiner Hamburger Wohnung, geht nie aus. „Ich musste davon ausgehen“, schreibt sie, „dass Reverend nicht nur narkoleptisch, impotent und esoterisch war, sondern wahrscheinlich auch noch Legastheniker oder Schlimmeres.“ Sie können eigentlich nichts miteinander anfangen und sind wie füreinander geschaffen. Für die Nacht, die ihre Liebe erweckt, checken sie spontan im Hotel Adlon ein.

Die Kritik des Reverends zielt ins Private und Grundsätzliche, ist oft verletzend. Klotz, so schimpft er, bewege sich in einer Szene von „verklemmten, unsexy Provinz-Fuzzis“, die „zu schlechtem Indie-Elektronik-Scheiß tanzen“. Schlimmer noch: „Du warst nie ein Außenseiter.“ Diese Rolle, der Anti-Bürger und Proll-Bohemian, gehört ihm selbst, einem passionierten Hasser. Dabeler nennt sich „eine Übertreibung“. Er redet viel, zeigt Gefühle, fordert zum Widerspruch auf. Sie findet das befreiend und für einen Mann ungewöhnlich. Klotz beschreibt ihn als Wahrnehmungsartisten mit speziellen „Antennen“, der trinkt, um sich abzuschirmen gegen zu viele Eindrücke.

Anstatt Geld, Ruhm und Glamour bleibt der Erfolg überschaubar

Sie beginnen symbiotisch miteinander zu arbeiten, nehmen ein Feature und ein Album auf, schreiben den Roman „Aus dem Leben des Manuel Zorn“ und einen Erzählband. Hier hätte jetzt die Erlösung folgen müssen, das Happy End. Geld, Ruhm, Glamour. Tatsächlich bleibt der Erfolg überschaubar. Klotz/Dabeler werden nicht zu Taylor/Burton, genießen aber das Unterwegssein bei Lesungen, „die Kilometer auf der Autobahn abzureißen“. Statt in Buchhandlungen lesen sie in Clubs, „und wir machten auch Musik dazu“. Großer Auftritt in der Provinzstadt XY. „Man geht die Treppe runter und sagt nur: ,Fünfzehn Leute‘ – ,Nee, sieben‘.“ Aber vielleicht ist das Barpersonal nett, und die Künstler können nachher mit ihnen trinken.

Almut Klotz: Fotzenfenderschweine. Hrsg. von Reverend Christian Dabeler und Aaron Klotz. Verbrecher Verlag, Berlin 2016. 144 S. 19 €

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